Deutschland und der Krieg, Folge VII: VW in Wolfsburg
: „Die Bundeswehr sollte da unten Spielplätze bauen“

■ Schichtwechsel bei VW, Werkstor West. Persönliche Probleme interessieren mehr als der Kosovo-Krieg

Das Drehtor rattert unaufhörlich, Menschen verlassen im Sturmschritt das Werk. Es ist fünfzehn Uhr, Schichtwechsel bei VW in Wolfsburg: Werkstor West, auf der Suche nach Meinungen zum Kosovo-Krieg.

Der einzige, der hier etwas Zeit hat, ist der unglaublich dicke, halslose Metzger Horst K. Der lehnt an seinem Jetta und wartet auf Wurstabholer. Er hat einen festen Kundenstamm unter denen hier vom Tor West, und alle fünfzehn Minuten bleibt einer der Vorüberhastenden kurz stehen, und Horst holt irgendeine Riesensalami oder Grillwurstpakete aus dem Kofferraum.

Der Metzger hat zum Krieg nur ein knappes Statement parat: „Wenn du mich fragst: Die könnten mal langsam aufhören mit dem Scheiß.“

– „Äh, wer jetzt?“

– „Kein Kommentar mehr.“

– „Okay, okay.“

Der Lackierer Max (30) möchte auch lieber vom „Wunderwerk Lackiererei“ und dem perfekten Arbeitsplatz, den er in dieser perfekten kleinen Welt bekleidet, reden, als etwas zum Krieg zu sagen. „Ich schau' mir das nicht mehr an. Ist doch jeden Tag das gleiche.“ Außerdem findet er, daß sich da niemand einmischen solle. „Die lassen uns doch auch in Ruhe. Und die schaffen das auch alleine da unten. Ich mach' mir da keine Sorgen.“

Er ist sicher, daß mit etwas gutem Willen die Sache friedlich zu regeln wäre und daß man das Angebot Miloevic', unbewaffnete Blauhelme in das Kosovo zu lassen, ruhig hätte annehmen können. Die Bombardements müßten auf jeden Fall aufhören. Ob es Tote bei der Vertreibung oder bei den Luftangriffen gebe, findet er irgendwie egal. „Ich sach mal: tot ist tot.“

„An die Wand, an die Wand“, ruft ein älterer Herr im Blaumann, der wohl schon länger zugehört hatte. „Das Abschlachten muß ein Ende haben. Man mag gar kein Fernsehen mehr gucken. Und wir Deutsche müssen das alles wieder bezahlen, das alles wieder aufbauen. Meine Gehaltsabzüge sollten Sie mal sehen. Die hätte ich lieber ausbezahlt als meinen Nettolohn. Na ja, in anderthalb Jahren ist das vorbei, ist das endlich vorbei“, und stiefelt davon.

Ich setze mich auf eine sonnige Bank vor dem Werkstor. Menschen kommen, setzen sich neben mich, erzählen kurz.

Viele haben gleich eine Meinung parat. Die Azubis Jan und Linda meinen: „So lang der Miloevic so 'nen Streß macht, muß es weitergehen.“ Ein feiner Herr im gelben Flanellmantel hält den Krieg „für absoluten Schwachsinn“.

Der Balkan sei nie und nimmer zu befrieden, und er ist enttäuscht, eine Bundesregierung gewählt zu haben, „die so schwach ist, sich in diesen Konflikt mit hineinziehen zu lassen“.

Eine etwa vierzigjährige Frau, die ihren Mann von der Arbeit abholt, sieht sich verstohlen um, als sie mir ihr Kriegslösungsgeheimnis offenbart: „Ich sag's ja nicht gerne, aber den müßte man erschießen.“ Und die Bundeswehr sollte da unten Spielplätze bauen für die Flüchtlingskinder, anstatt da groß Bomben zu werfen.

Ach, Spielplätze – irgendwann kommt dann ihr Mann aus Werkstor West, nach einem langen Tag in der Fahrzeuginstandhaltung von VW. Auch er soll seine Meinung sagen.

Der Krieg, der Krieg, ist er gerecht? „Jein“, sagt er und „Ach, mir fällt nichts ein. Aber es muß auch anders gehen. Ohne Krieg. Es muß.“

Text und Foto: Volker Weidermann