In Glück getränkt

Die Selfmade-Göttin Lauryn Hill gastierte im Stadtpark  ■ Von Oliver Rohlf

Man könnte es auch kurz machen. Das war ein Auftritt wie in Glück getränkt, von vorn bis hinten die ganze Soul-Wucht in Tüten, das Konzert des Jahres. Doch eine Attraktion wie das Open-Air-Ereignis von Lauryn Hill lädt zum Verweilen ein. Schon deshalb, um zu sehen, wie das so funktioniert im Staate Superstar. Sind das alles Freunde auf der Bühne? Wie bibelfest sind die denn nun wirklich? Ist das Geld nun wirklich an allem schuld? Und verändert es die Situation wirklich so stark, wie Lauryn Hill immer behauptet?

Das mit der Beterei erledigte sich bereits im Vorfeld der Show. Da ließen die Veranstalter mit Al Green den wohl größten aller noch lebenden Soul-Baptisten per CD durchs weite Rund singen und predigen. Lauryn Hills Segen hingegen erfaßte die eher unmittelbaren Gegebenheiten rund ums Konzert. Wie selbstverständlich bekam die Künstlerin atmosphärische Hilfestellung von ganz oben, denn der Himmel über Barmbek strahlte im dichtesten Blau, satt-grüne Baumlandschaften umrankten das helle Bühnendach, und wer sich allzu sehr von dieser Frühlingspracht mitreißen ließ, faselte mitunter etwas von „Paradies“ in seinen Bierbecher.

Ganz so überirdisch war die Sache natürlich nicht, denn schließlich ging es der Selfmade-Frau um die Göttlichkeit auf Erden. Deshalb standen im Hintergrund wohl auch die vielen High-School-Spinde aufgebaut: Die wahre Lehre, die lehrt halt das Leben, vornehmlich das auf der Straße. Aber eines muß man dem juvenilen Weltstar lassen: 90 Soul-HipHop-Reggae-und-was-noch-alles-Minuten ohne schwächelnde Momente über die Bühne zu bringen, das schafft nicht mal eine Mary J. Blige. Und von der wird ja allgemein behauptet, sie sei derzeit des Entertainments letzter Schluß. Lauryn Hill hingegen kann das.

So schlenderte die kleine Frau mit der großen Stimme zu Beginn locker auf die Bühne, sang „It could be so simple“, diese wunderbar leidende Sentenz aus Ex-Factor, und hatte schon gewonnen. Fast 20 Musiker hatte sie um sich versammelt. Alles Gleiche unter Gleichen, der Prototyp einer buntgemischten Profikommune im ausgehenden 20. Jahrhundert. So ein bißchen Diva steckte dann doch in ihr, als Lauryn Hill ihren Musikern die Bühne für zehn Minuten überließ, um ihr Outfit zu ändern. Natürlich waren da keine wollüstigen Kleider-Arien à la Diana Ross angesagt, eher die lässige Neo-Hippie-Variante in Jeans, in der es sich so wunderbar leicht herumhüpfen läßt, wenn die alten Reggae-Geister beschworen werden. Und genau das taten Hill und ihre PostHopper. Zwischendurch und überall lauerten die alten Fugees-Hits, zu denen die vielen, vielen Fans in ein seliges Uhlalala einstimmten oder dieses obercoole Readyornot mitsangen, fast als hätte sie die Relaxtheit erfunden.

Da klappt auch das mit dem Prinzip Kleinfamilie. Zur Ode an den eigenen Sohn To Zion mußte Ehemann samt Filius für kurze Zeit auf die Bretter, um zu zeigen, daß das Glück tatsächlich einen guten Grund haben kann. Zion selbst war das alles sehr unangenehm, er drehte sich verschämt weg, so wie das kleine Kinder tun, wenn sie das sonderbare Treiben ihrer Eltern nicht verstehen.

Muß aber auch ein merkwürdiges Gefühl sein, so öffentlich als privater Messias gehandelt zu werden.