Endlich Bewegung im Saftladen

■ Seit gestern steht der erste fair gehandelte Orangensaft in Deutschland in den Regalen. Vorbildlich bleibt die Schweiz

Köln (taz) – Da kam Ex-Arbeitsminister Norbert Blüm ins Schwitzen: Mit hochrotem Kopf wuchtete er gestern in der Kölner Flora eine 1.000-Kilo-Palette Orangen über die Wege, stellte sich unter ein Orangenbäumchen, pflückte, riß und lächelte. Alles für einen guten Zweck: Rund 2.000 Geschäfte in Deutschland bieten seit gestern Orangensaft aus Brasilien und Mexiko mit dem Transfair-Siegel an.

Der Verein Transfair hat schon sechs andere Produkte im Programm, wie zum Beispiel Kaffee, Tee oder Schokolade. Er vergibt die Lizenz für die Nutzung des Siegels und kontrolliert die Einhaltung der damit verbundenen Bedingungen. Mit der Aktion „Fair muß rein“ will Transfair den Handel dazu bringen, den Saft dauerhaft in die Regale zu nehmen. 90 Prozent des Orangensaftes in Deutschland stammt aus Brasilien, über 10 Liter trinken die Deutschen jährlich pro Kopf.

Seit mehreren Jahren schon sind jedoch die Mißstände vor allem auf brasilianischen Plantagen bekannt: Kinderarbeit, Hungerlöhne und gesundheitliche Risiken für die Pflücker durch den Pestizideinsatz. 2.000 Kilo Orangen pflückt ein Arbeiter am Tag bei einem Lohn von umgerechnet rund 14 bis 20 Mark – während die Lebenshaltungskosten fast so hoch wie in Deutschland sind. Doch wenige Großkonzerne beherrschten den Markt für konventionellen Saft und drücken so die Preise für die Kleinbauern.

Betriebe, die das Transfairsiegel haben möchten, müssen soziale und ökologische Mindeststandards einhalten. Die Mehreinnahmen aus dem Verkauf des teureren Saftes – 100 US-Dollar pro Tonne – gehen in Sozialprogramme, medizinische Hilfe und Bildung. Ein erster Kindergarten konnte schon ausgestattet werden. Tansfair-Geschäftsführer Dieter Overath appellierte nicht nur an die Verbraucher, sondern auch an die Lebensmittelketten: „In der Schweiz hat der Saft acht Prozent Marktanteil erreicht – weil der Handel den Saft prominent plaziert, bewirbt und einen vernünftigen Preis setzt.“ Auf diesen Erfolg sei man „sehr neidisch“.

Die Zurückhaltung deutscher Supermärkte sieht Overath unter anderem in der derzeitigen „Aldisierung“ – dem ständigen Unterbieten von Preisen wegen drohender ausländischer Konkurrenz. Lediglich Karstadt bietet den Orangensaft bundesweit an, andere Ketten führen ihn in Testmärkten.

Für Norbert Blüm ist der Kauf des fair gehandelten Saftes ein erster, notwendiger Schritt für mehr Gerechtigkeit. Für die Einführung weiterer Standards plädiere er nicht, es gehe vielmehr um die Umsetzung bestehender Regelungen wie die Kinderrechtskonvention und die Zulassung von Kindern zu Rechtsverfahren bei Schuldknechtschaft. Maike Rademaker