Kunzelmann lebt nun endgültig

■ Altkommunarde in Berlin wiederaufgetaucht. Spätestens am 14. Juli stellt er sich der Polizei

Berlin (taz) – Schon einmal hatte er die Illustrierte Stern mit seiner Rückkehr aus dem Reich der Scheintoten gefoppt. Diesmal aber will Dieter Kunzelmann Ernst machen: Zur Wahl des Bundespräsidenten am 23. Mai, spätestens aber zu seinem 60ten Geburtstag am 14. Juli stellt er sich in Berlin der Polizei. Das versprach der Mann, der durch Polit-Happenings berühmt wurde, in einem Stern-Interview.

Der Reporter Werner Mathes, der mit ihm vergangene Woche sprach, hegt keine Zweifel. Gegenüber der taz erklärte er gestern: „Kunzelmann meint es ernst.“ Eine Aussage, die glaubhaft scheint: Auch Kunzelmanns Anwalt kündigte gestern die Rückkehr seines Mandanten an.

Stern-Reporter Mathes traf sich mit Kunzelmann auf einem Friedhof im Ostberliner Stadtteil Alt-Stralau. „Er sah wie immer aus“, erinnert sich Mathes an Kunzelmann, den er aus früherer Zeit kennt. „Er trägt wieder einen Bart, und seine Glatze bedeckt eine knallrote Baseballmütze“, so Mathes. Vor mehr als einem Jahr hatte Kunzelmann seinen Abgang über eine Todesanzeige fingiert. Er entzog sich so einer elfmonatigen Haftstrafe wegen zweier Eierwürfe auf den Berliner Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU). Nach Angaben des Stern hielt sich Kunzelmann zunächst in Dänemark auf, Ende 1997 ging er dann nach Südeuropa. Bereits zweimal, so Kunzelmann gegenüber der Illustrierten, sei er in Berlin, wo er seit einigen Wochen im Ostteil lebe, auf Veranstaltungen aufgetreten – verkleidet natürlich. Auch seine Mutter habe er am 9. Mai zu ihrem 90ten Geburtstag in Bamberg besucht – unverkleidet.

An diesem Sonntag wird wohl Kunzelmann dem neuen Bundespräsident Rau die Schau stehlen. Wenn er wahrmacht, was er im Stern ankündigte: Vielleicht komme er zum Reichstag als Unions-Kandidatin Schipanski.

Spätestens am 14. Juli aber wird Kunzelmann seine Freiheit selbstbestimmt beenden. An diesem Tag will er sich mit den Gästen seiner Geburtstagsparty zur Haftanstalt Tegel begeben. Dort möcht er auch Silvester feiern. Denn Tegel sei der würdigste Ort, um das „Ende des schrecklichsten Jahrhunderts der Menschheitsgeschichte zu begehen“. Severin Weiland