„Hinzugehen ist fast Pflicht“

■  Jetzt wird der letzte und wirklich wahrhaftige Kult öffentlich – „Die drei ??? (Justus, Peter und Bob)“ kommen im Vollplayback auf die Bühne. Ein Gespräch mit zwei ihrer Fans

Mitten in die Inflation des Phänomens „Kult“ fällt die Entdekkung des letzten, echten und wahrhaftigen Vertreters dieser Art: Fans von „Die drei ???“, diesen immer jugendfreien Geschichten um die jugendlichen Detektive Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews, waren bisher vereinzelt und wußten auch meist nichts voneinander. Das ändert sich nun mit dem Vollplaybacktheater, das verschiedene Folgen von „???“ im (eben!!) Vollplayback auf die Bühne bringt. Inzwischen haben sich auch prominente Opfer geoutet: Fettes Brot haben für eine der inzwischen 84 Hörspielfolgen einen Song aufgenommen, Whirlpool Productions tauften ihre letzte Platte „???“. Simone Esch (31) und Kay Krull (33) sind dagegen gar nicht prominent. Als sie sich vor mehr als 6 Jahren kennen- und lieben lernten, stellten sie schnell fest, daß beide ein Faible dafür haben. Kay besaß damals nur zwei Kassetten, hatte diese aber schon hunderte Mal gehört. Simone brachte ungefähr 30 Kassetten in die Ehe ein. Längst ist die Sammlung komplett und wird ständig auf den neuesten Stand gebracht.

taz: Ich habe gehört, Kay kann ohne „???“ nicht einschlafen?

Kay: Ich kann schon einschlafen, aber wenn wir irgendwo hinfahren, wo es keinen Kassettenrecorder gibt, schlafe ich erst mal ein, zwei Nächte schlecht.

Sind Sie süchtig nach „???“

Simone: Nein, nein.

Kay: Doch, irgendwie schon. Es gibt zwar nur geringfügige körperliche Entzugserscheinungen, denn ich schlafe schon irgendwann ein. Wenn wir aber wüßten, es gibt eine neue Folge, würde uns das keine Ruhe lassen, bis wir sie haben.

Schläft Kay während der Folgen ein?

Simone: Klar, immer. Wenn wir eine neue Kassette haben, müssen wir die manchmal sieben oder acht Tage hintereinander anhören. Dann nimmt er sie mit ins Auto und hört sie da zu Ende.

Läuft der Sex vor, nach oder während der abendlichen Kassetten?

Simone: Man kann doch keinen Sex während der „???“ haben.

Kay: Die sind doch noch minderjährig.

Simone: Na ja, Freundinnen haben sie in manchen Folgen jetzt auch schon.

Kay: Es gibt aber keinen Sex, und es gibt auch keine Toten.

Warum sind „???“ eher kultgeeignet als – sagen wir mal: TKKG-Kassetten?

Kay: Es gibt bestimmte Sachen, über die man sich immer wieder freuen kann: absurde Formulierungen, inhaltliche oder logische Fehler, die in vielen Geschichten stecken. Außerdem ist es eine abgeschlossene heile Welt, von der man sich einerseits distanzieren kann, andererseits sind es aber immer wiederkehrende, vertraute Figuren. Warum gucken die Leute Soap-operas?

Simone: Wir hören sie an.

Was erwarten Sie vom Vollplaybacktheater?

Simone: Für jemanden, der jeden Tag eine „???“-Kassette hört, ist es quasi Pflicht, da hinzugehen. Ich habe keine Erwartungen, überhaupt nicht.

Kay: Ich erwarte mir schon was. Ich fände es prima, wenn das wie bei der Rocky Horror Picture Show wäre, wenn die Leute reinrufen würden: „Justus, du bist ein Genie. Wir sind frei!“

Simone: Was übrigens mein Lieblingssatz ist. Ich bin sehr gespannt, was für Leute da hingehen. Ich habe irgendwie immer gedacht, ich sei allein. Man geht ja sonst nicht rum und erzählt jedem: Mein Hobby sind „???“-Kassetten. Das ist doch eher peinlich.

Kay: Das ist einer der seltenen Fälle, in denen man tatsächlich mal als Einzeltäter einen Kult gepflegt hat, als der noch nicht öffentlich war.

Interview:‚/B‘ Thomas Winkler

20. 5., 19 Uhr, SO 36, Oranienstraße 190, Kreuzberg