: Überrascht läßt man die Zeitung sinken und gerät kurzzeitig ins Grübeln:
■ Wie jetzt? Bombenziele bei Nordhorn?
Die Kosovokrise, nein, der Krieg auf dem Balkan, nein, die Angriffe des westlichen Verteidigungsbündnisses auf Serbien, nein – wie heißt es denn, wie soll man sagen? –, die eine humanitäre Katastrophe nach der anderen verhindernden Luftschläge der Nato (eine Bekannte verlas sich neulich und dachte einen unbewachten Augenblick lang, die Nato würde Luftschlangen auf Jugoslawien abwerfen), diese Luftschläge haben, wie sich nun herausstellt, Konsequenzen, mit denen niemand rechnen konnte. Nicht die, daß auch mal einigen Zivilisten versehentlich etwas auf den Kopf fällt. Das wußte man vorher, wir sind ja nicht beim Nonnenschach. „Kollateralschäden“, das hat inzwischen wohl jeder mitgekriegt, lautet der Fachausdruck, und es gibt Menschen, die ihn benutzen können, ohne rot zu werden.
Heikel wird es jetzt aber in unmittelbarer Nähe, es kriselt nicht mehr nur vor der Haustür, sondern auf der Schwelle sozusagen, im Heimatland des amtierenden Bundeskanzlers. Beinahe versteckt auf Seite 5 einer großen niedersächsischen Regionalzeitung war vor kurzem die Überschrift zu lesen: „Hardthöhe will Bombenziele bei Nordhorn behalten“. Überrascht läßt man die Zeitung sinken und gerät ins Grübeln.
Bislang war noch nichts von den Autonomiebestrebungen der Nordhorner an die Öffentlichkeit gedrungen. Fühlen sie sich von der Zentralregierung in Hannover so sehr unterdrückt, daß sie zu den Waffen gegriffen haben? Sind es Terroristen oder Freiheitskämpfer? Wenn ja, wie lange schon?
Nordhorn, mehr oder weniger Emsland, liegt unmittelbar an der niederländischen Grenze. Meppen, die sprichwörtliche Provinz, ist nicht weit entfernt, irgendwo bellt immer ein Hund: eine wirtschaftlich stets darbende Region. Man könnte schon verstehen, wenn die da es satt haben und im Windschatten der UÇK ihr Recht auf Selbstbestimmung durchsetzen wollen. Das Dilemma der Bundeswehr: Hier muß sie nun die Sezession verhindern.
Aber ohnehin nimmt das globale Durcheinander monströse Ausmaße an. Die Washington Times berichtet unter Berufung auf US-Geheimdienstkreise, der Oberterrorist Osama Bin Laden, dem die USA neulich noch Raketen ins Haus geschickt haben, habe Kämpfer der UÇK ausgebildet und trage auch zur Finanzierung der Armee bei.
Das Rätsel um die Luftschläge auf Nordhorn war dagegen binnen Sekunden gelöst: Die Bundeswehr braucht zum Üben weiterhin den dortigen Bombenabwurfplatz, der eine halbe Flugminute vom Atomkraftwerk Lingen entfernt liegt. Hoffentlich gibt es da nicht mal irgendwelche Kollateralschäden. Dietrich zur Nedden
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