: Waffenstillstand in Sierra Leone
■ Abkommen zwischen Regierung und Rebellen ermöglicht Friedensverhandlungen und Abzug der Eingreiftruppe aus Nigeria
Berlin (taz) – Regierung und Rebellen im westafrikanischen Sierra Leone haben sich auf einen Waffenstillstand geeinigt und damit den Weg für ein Ende des blutigsten Bürgerkrieges der Region freigemacht. Bei einem Treffen in Togo unter Moderation des US-Pastors Jesse Jackson vereinbarten Staatschef Ahmed Tejan Kabbah und Rebellenführer Foday Sankoh am Dienstag eine Waffenruhe ab 24. Mai und den Beginn eines „Dialoges“ am 25. Mai.
Beide Seiten wollen „ihre gegenwärtigen jeweiligen Positionen in Sierra Leone auf dem Stand des 24. Mai 1999 behalten und von allen feindseligen oder aggressiven Akten absehen, die den Friedensprozeß untergraben könnten“. Es sollten „so bald wie möglich“ UN-Militärbeobachter zur Überwachung des Waffenstillstandes in Sierra Leone stationiert werden.
In Sierra Leone kämpft seit Beginn der 90er Jahre die Rebellenbewegung Revolutionäre Vereinigte Front (RUF) gegen die wechselnden Regierungen des Landes. Die RUF ist jetzt mit Teilen der früheren Armee liiert, die 1997 – 98 kurzzeitig die Macht ergriffen hatten und dann von Nigeria in einer Militärintervention wieder gestürzt wurden. Nigerias Soldaten, Kern einer westafrikanischen Ecomog-Eingreiftruppe, haben aber die RUF nicht dauerhaft schlagen können – Anfang dieses Jahres verloren sie fast die Kontrolle über die Hauptstadt Freetown an die Rebellen. Auf beiden Seiten kämpfen Milizen, die brutale Gewalt gegen die Zivilbevölkerung anwenden.
Das Waffenstillstandsabkommen ist das erste Ergebnis eines von Togo vermittelten Verhandlungsprozesses, der im April mit der vorläufigen Freilassung des inhaftierten und zum Tode verurteilten RUF-Führers Foday Sankoh begonnen hatte. Nun müssen substantielle Friedensverhandlungen folgen, in denen viel Mißtrauen zu überwinden ist. Kabbah und Sankoh hatten bereits 1996 einmal miteinander Frieden geschlossen – aber damals hielt das Abkommen nur wenige Monate bis zum Putsch des mit der RUF verbündeten Flügels der Armee.
Bei den anstehenden Verhandlungen sind die Ausgangspositionen weit voneinander entfernt. Die Regierung Kabbah verlangt, als legitime gewählte Regierung des Landes anerkannt zu werden, während die Rebellen die Einsetzung einer Übergangsregierung für vier Jahre anstreben.
Am günstigsten ist das Waffenstillstandsabkommen für Nigeria, wo am 29. Mai die seit 16 Jahren regierenden Militärs die Macht an den im Februar gewählten zivilen Präsidenten Olusegun Obasanjo abgeben sollen. Obasanjo möchte das Sierra-Leone-Engagement seines Landes, Hinterlassenschaft der regionalen Ambitionen des verstorbenen nigerianischen Diktators Sani Abacha, gerne beenden, aber bisher war das in Ermangelung eines Erfolgs der Militärintervention nicht möglich. Nun kann Nigeria auf der Grundlage des Waffenstillstands und der erhofften UN-Beobachtertruppe seine Soldaten aus Sierra Leone zurückziehen. Sierra Leones Präsident Kabbah ist bereits dabei, Finanzhilfe aus anderen Ländern – zum Beispiel Großbritannien – anzufordern, um nach dem Wegfall der nigerianischen Hilfe eine eigene Armee aufbauen zu können. Dominic Johnson
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen