Diplomaten reden, und Bomben fallen

Es wird gereist und geredet und geredet und gereist. Doch was tut sich wirklich auf der diplomatischen Ebene bei dem Versuch, eine politische Lösung für den Kosovo-Konflikt zu finden? Die diversen Friedensbeauftragten reden vor allem miteinander  ■ Von Andreas Zumach

Die intensiven diplomatischen Bemühungen um eine gemeinsame Position Rußlands und der Nato-Staaten für eine Kosovo-Resolution des UNO-Sicherheitsrates blieben auch am Mittwoch vorerst erfolglos. Entscheidende Knackpunkte sind weiterhin Zusammensetzung, Mandat und Kommandostruktur einer internationalen Schutztruppe für das Kosovo. Das verlautete aus dem Bonner Treffen der politischen Direktoren der Außenminister der G-8-Staaten, das bis Redaktionsschluß noch andauerte.

Am Spätnachmittag wurde in Bonn der stellvertretende US-Außenminister Strobe Talbott erwartet. Am Morgen hatte Talbott in Helsinki mit dem Kosovo-Unterhändler der russischen Regierung, Wiktor Tschernomyrdin, und dem – ebenfalls als Vermittler fungierenden – finnischen Staatspräsidenten Martti Ahtisaari konferiert. Tschernomyrdin traf am Nachmittag zu Gesprächen mit Restjugoslawiens Präsident Slobodan Miloevic in Belgrad ein.

Unterdessen verstärkt sich sowohl die Diskussion über Modalitäten und Bedingungen für eine eventulle Feuerpause im Nato-Luftkrieg gegen Restjugoslawien als auch die öffentliche Kontroverse zwischen den Nato-Staaten über einen Einsatz von Bodentruppen.

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) bemühte sich unter Verweis auf die Gespräche zwischen Talbott, Tschernomyrdin und Ahtisaari, Optimismus zu verbreiten. „Mein Eindruck ist, daß nach den Ergebnissen von heute morgen die Hoffnung besteht, daß die politische Lösung befördert wird“, erklärte der Kanzler am Mittag am Rande eines Treffens mit Nato-General Javier Solana im Brüsseler Hauptquartier der Allianz. Vom Treffen der G-8-Vertreter verlautete allerdings, es habe in den entscheidenden Fragen einer internationalen Schutztruppe noch „keinen Durchbruch“ gegeben.

Selbst wenn hierüber ein Konsens zwischen den Nato-Staaten und Rußland erzielt werden sollte, bedarf es für eine Resolution des UN-Sicherheitsrates auch noch der Zustimmung Chinas. Bislang macht China aber die Aufnahme von Beratungsgesprächen über eine Resolution im höchsten UNO-Gremium von der vorherigen Einstellung der Nato-Luftangriffe abhängig. Inzwischen zeichnet sich jedoch die Bereitschaft zumindest einiger Nato-Regierungen ab, nach Beratung und Verabschiedung einer UNO-Resolution einer befristeten Feuerpause zuzustimmen oder zumindest eine Einstellung der Luftangriffe mit dem Abzug der serbischen „Sicherheitskräfte“ aus dem Kosovo zu synchronisieren. „Mein Eindruck ist, daß man sich letztlich einigen kann, daß man sich auf der Zeitachse aufeinander zubewegen kann“, sagte Bundeskanzler Schröder. Dabei sei es „natürlich klar, daß auf der einen Seite das Ausgehandelte befolgt werden muß und auf der anderen Seite dann, und nur dann, die Luftschläge dauerhaft beendet werden können.“

Nach Angaben britischer Diplomaten werden innerhalb der Nato „verschiedene Optionen“ für eine Pause bei den Luftangriffen diskutiert. Offizielle Position der Nato war bislang, daß eine Feuerpause oder gar die endgültige Einstellung der Luftangriffe erst möglich ist, wenn Miloevic mit dem Abzug der Truppen nachprüfbar begonnen hat und diesen Abzug nach einem Stopp der Nato-Luftangriffe auch weiterführt.

Schröders Worte deuten auf die Möglichkeit, daß Rußlands Unterhändler Tschernomyrdin mit Miloevic den Beginn des Abzuges der „Sicherheitskräfte“ aushandelt und die Nato nach Abzugsbeginn die Luftangriffe zunächst unterbricht und bei fortgesetztem Abzug nicht wieder aufnimmt. Auf diese Weise könnten beide Seiten ihr Gesicht wahren.

Zur Frage eines Einsatzes von Bodenkampftruppen bekräftigte der Bundeskanzler gestern in Brüssel, „daß die deutsche Bundesregierung den Einsatz von Bodentruppen ablehnt“.

In der britischen Presse wurde Schröders Haltung gestern als klare Absage an die diversen öffentlichen Vorstöße für einen Einsatz von Boden-Kampftruppen gewertet, die der Premierminister Tony Blair und Außenminister Robin Cook seit dem Washingtoner Nato-Gipfel Ende April mehrfach und zuletzt Anfang dieser Woche gemacht haben. „Bonn zerstört Cooks Plan für Bodentruppen“ titelte die Londoner Times gestern. Der Guardian sieht einen „Riß in der Nato“ zwischen Deutschland und Großbritannien sowie den USA, die sich in dieser Frage nicht entscheiden könnten.

Bundeskanzler Schröder reagierte gestern auf die Äußerungen Londoner Regierungsvertreter und Medien mit der Bemerkung, er werde sich „an der spezifisch britischen Debatte über Kriegstheorie nicht beteiligen“.