Der harte Kampf ums Kabel

Die Telekom verkauft ihr TV-Kabelnetz. Medienunternehmen, Softwarefirmen und Banken wollen Milliarden in den Datenhighway von morgen investieren  ■   Von Jens Uehlecke

Berlin (taz) – Interaktives Fernsehen, das Lieblingsvideo oder die neue HipHop-Platte per Mausklick – das Internet von morgen soll zum Rundumunterhaltungslieferanten für Couch Potatoes werden. Die Technologien dafür gibt es schon lange – einzig die Datenleitungen, die ruckelfreies Kino und Musik in HiFi-Qualität in die Wohnzimmer transportieren sollen, gibt es noch nicht. Gängige ISDN-Leitungen etwa sind dafür zu langsam.

In der deutschen Medien- und Telekommunikationsbranche ist deshalb ein Wettkampf um die Breitbandnetze ausgebrochen. Es geht um die Anteile am Unterhaltungsmarkt der Zukunft, also um viel Geld. Und auf diesem Markt muß die Telekom jetzt ein Riesenangebot machen: Auf Druck von EU-Wettbewerbshüter Karel van Miert soll der deutsche Telekommunikationsriese sein Kabelnetz verkaufen.

Gleich mehrere Unternehmen stehen daher bereit, die Fernsehkabel der Deutschen Telekom zu kaufen. Von dem Gesamtnetz in Deutschland, das 18 Millionen Haushalte erreicht, gehören dem rosa Riesen derzeit rund 60 Prozent, darunter die wichtigsten Hauptstränge und direkte Zugänge zu sechs Millionen Haushalten.

Nach Pressemeldungen erwägt jetzt auch eine Allianz unter der Führung der Deutschen Bank, an der auch Microsoft und Bertelsmann beteiligt sein sollen, ein Angebot für das Breitbandnetz abzugeben. Gestern bestätigten Bertelsmann und Microsoft, man verhandele gemeinsam über ein Angebot für das Kabelnetz. Ein Sprecher der Deutschen Bank bezeichnete gegenüber der taz die Meldungen über die Dreier-Allianz als „plausibel“. Alle drei beteiligten Unternehmen sind Giganten ihrer jeweiligen Branche mit begründeten Einzelinteressen: Bertelsmann etwa könnte durch eine Kaufbeteiligung gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Erstens würde sich das Gütersloher Unternehmen einen aussichtsreichen Vertriebskanal für Zukunftsprodukte wie interaktives Fernsehen, Pay-per-View-Filme oder elektronische Bücher sichern. Zweitens würde es die Wettbewerbsfähigkeit der Tochter AOL Europe stärken, die ihren Kunden dann endlich einen Internetzugang über eigene Leitungen anbieten könnte. Software-Multi Microsoft hofft dagegen, die für Internet-TV und interaktives Fernsehen notwendigen Zusatzgeräte mit seinem Betriebssystem Windows CE ausstatten und dadurch das Windows-Monopol auch auf das digitale Netz ausweiten zu können. Aus Sicht der Deutschen Bank wäre schließlich eine Weitervermarktung eines Teil des Kabelnetzes an zukünftige Interessenten ein lukratives Geschäft.

Ein Zuschlag für die ungewöhliche Allianz scheint aber zweifelhaft. Denn die Telekom kann und will das Kabelnetz nicht in einem Stück verkaufen. Zum einen, weil das Netz aus einzelnen, nicht zusammenhängenden Fragmenten bestehe. heißt es vom Unternehmen. Zum anderen wohl, weil dadurch eine mächtige Konkurrenz auf dem Telefon- und Online-Markt entstünde. Statt dessen planen die Bonner, ihr Netz zu zerschlagen und die Puzzlestücke einzeln an unbedeutendere, regionale Unternehmen zu verhökern.

Auch über den Kaufpreis gibt es noch recht unterschiedliche Vorstellungen. So soll die Deutsche Bank bereits vor Monaten im Alleingang neun Milliarden Mark für die Fernsehkabel geboten haben. Telekom-Chef Ron Sommer wies die Offerte jedoch empört zurück; in Frage komme nur ein Kaufpreis von weit über 20 Milliarden Mark. Auch Telekom-Widersacher Mannesmann Arcor bemüht sich um schnellere Leitungen für die eigene Kunden.Ein Sprecher des Eschborner Unternehmens sagte, man prüfe in einzelnen Regionen die Qualität und Rentabilität des Kabelnetzes.

Als breitbandigen Internetzugang wolle man den Kunden ab Sommer 1999 zunächst aber keine Kabellösung, sondern – wie übrigens auch die Telekom selbst – das auf Telefonleitungen basierende ADSL-Verfahren anbieten.

Die Telekom will mehr als 20 Milliarden Mark für ihr Netz – und würde es am liebsten an unbedeutende kleine Regionalversorger verkaufen