Aufstand gegen den Krieg: „Tote brauchen kein Kosovo“

■  Tausende serbische Soldaten im Kosovo rebellieren nach Demonstrationen ihrer Angehörigen im Süden Jugoslawiens. Die Militärführung reagiert machtlos

Berlin/Brüssel (AFP/rtr/taz) – Die fortgesetzten Nato-Luftangriffe schwächen die Moral der serbischen Soldaten immer weiter. Nachdem zu Wochenbeginn Soldatenangehörige gegen die Rückverlegung von Wehrdienstpflichtigen in das Kosovo demonstrierten, wird nun über massive Desertionen aus der jugoslawischen Armee berichtet.

Mehrere tausend jugoslawische Soldaten seien möglicherweise desertiert, berichten in Berlin lebende Serben. Sie seien am Mittwoch nachmittag und in der Nacht auf Donnerstag zu ihren Familien in Krusevac und Alexandrovac zurückgekehrt – südserbische Städte, in denen es in den beiden Tagen davor zu Massenprotesten gekommen war. Die im Kosovo stationierten Soldaten hätten gegen ihre Offiziere rebelliert, nachdem sie in ausländischen Rundfunksendern von diesen Protesten gehört hätten. Die Soldaten hätten erfahren, daß die serbische Sonderpolizei ihre Eltern bedrohe. Daraufhin hätten sie gedroht, entweder die Offiziere oder sich selbst zu erschießen.

Nato-Sprecher Jamie Shea bestätigte gestern die Berichte und erklärte, es handele sich um ein Bataillon der 7. Panzerbrigade mit „mindestens 500 Angehörigen“. Eine Gruppe, berichtete die Nato weiter, habe sich den Weg durch eine Straßensperre der Polizei zwischen Pritina und Ni freigeschossen.

Einwohner von Krusevac berichteten, „rund 800 bis 1.000 Reservisten“ hätten ihre Einheiten verlassen und seien am Mittwoch in Krusevac angekommen. Nach erfolglosen Versuchen, die Soldaten zur Rückkehr zu bewegen, beschlossen die örtlichen Militärbehörden, sie außer Dienst zu stellen und ihnen Straffreiheit zuzusichern. Die Demonstrationen in der Stadt gingen dabei weiter. „Laßt unsere Söhne nach Hause!“ riefen die Demonstranten und „Tote brauchen kein Kosovo!“.

Die Regierung in Belgrad versuchte, die Proteste herunterzuspielen. „Es war keine Demonstration gegen die Mobilisierung und gegen die Verteidigung Jugoslawiens, sondern ein normales Interesse der Eltern an der Rückkehr ihrer Söhne“, sagte der Sprecher der Sozialistischen Partei Serbiens. Nach Angaben des Führers der oppositionellen Demokratischen Partei, Zoran Djindjic, ist über Krusevac der Ausnahmezustand verhängt worden.

In Alexandrovac, dem zweiten Schauplatz der Proteste vom Wochenbeginn, erwartete nach Berichten eines Einwohners die ganze Stadt die Heimkehr der Soldaten aus dem Kosovo. Hier hatten die Demonstranten nach neuesten Berichten am Dienstag den Miloevic-treuen Bürgermeister Zivota Cvetkovic erhängt. D.J.