„Die Biomasse ist unverzichtbar“

■  Auch Ökostrom-Anbieter brauchen einen Sockel mit Energie aus nachwachsenden Rohstoffen. Niedersachsen will Holzheizwerke bauen. Interview mit dem Leiter der Initiative Bioenergie Niedersachsen (BEN), M. Süßmann

Die niedersächsische Energieagentur hat BEN im vergangenen Jahr mit Unterstützung des Landwirtschaftsministeriums aus der Taufe gehoben. Der Etat für die nächsten drei Jahre beträgt jeweils 150.000 Mark.

taz: Niedersachsen hat sich in den vergangenen zwei Jahren bundesweit zum Windland Nr. 1 entwickelt. Müssen wir jetzt umdenken, weil dieses Bundesland jetzt zum Bio- und Holzenergie-Land wird?

Markus Süßmann: Niedersachsen ist stark agrarwirtschaftlich geprägt, es ist so gesehen gut für die Nutzung der Biomasse geeignet. Deshalb werden wir uns neben unserem Schwerpunkt Holzenergie auch darum bemühen, weitere Biogasanlagen anzuschieben. Ich denke, es ist folgerichtig, daß sich das Land und wir als Energieagentur nun stärker um die Förderung der Bioenergie kümmern, nachdem der Ausbau der Windkraft riesige Fortschritte gemacht hat.

Ihr Schwerpunkt Holzenergie überrascht, da Niedersachsen als das Land der Schweine- und Rinderzüchter sowie der Hühnerbarone, sprich der Massentierhaltung, gilt. Hätte da die Förderung von Biogasanlagen nicht viel näher gelegen?

Landwirtschaftliche Betriebe gehören nicht zur klassischen Klientel der Energieagentur, die sich schwerpunktmäßig auf Gewerbe und Kommunen konzentriert. Wir haben versucht, Biogas-Gemeinschaftsanlagen wie die in Wittmund mit anzustoßen, nur ist das nicht nur eine Frage der Wirtschaftlichkeit, sondern auch ein zäher Überzeugungsprozeß.

Gibt es überhaupt Zahlen, wie hoch das Biomassepotential in Niedersachsen ist?

Es gibt Zahlen für das Stroh- und das Durchforstungsholzpotential, aber das sind überwiegend theoretische Abschätzungen. Resthölzer fallen viel zu sehr regional an, als daß sich daraus fundierte Zahlen ermitteln ließen. Was uns aber immer klarer wird, ist, daß Biomasse im Überfluß vorhanden ist. Die Bundesrepublik exportiert beispielsweise Resthölzer nach Dänemark und Schweden. Ganz grob läßt sich sagen, daß sich mit der Biomasse zwischen zehn und fünfzehn Prozent des Energieverbrauchs in Niedersachsen abdecken ließen. Der Ausbau hängt aber stark von der Wirtschaftlichkeit der einzelnen Projekte ab.

Lohnt es sich für Landwirte, auf den Biomasseanbau umzusteigen, da sich die wirtschaftliche Situation für die meisten von ihnen mit der Agenda 2000 verschlechtern wird?

So ganz eindeutig ist die Frage nicht zu beantworten. Wer heute schon als Forstwirt tätig ist, der ist gut beraten, auch an eine energetische Verwertung zu denken. Der direkte Anbau von Energiepflanzen wird sich ohne staatliche Zuschüsse wohl kaum rechnen. Unter dem Strich wird die Umwelt stärker von einem Bioenergie-Engagement der Argrarwirtschaft profitieren als die Branche selbst. Bei dem zum Teil schlechten Image der Landwirtschaft wäre das aber auch ein nicht zu unterschätzender Gewinn.

Die Zahl der Ökostrom-Anbieter steigt. Eröffnet das neue Chancen für Bioenergie-Kraftwerke?

Eindeutig ja. Ökostrom-Anbieter brauchen einen breiten Sockel an Biomasse-Energie, da sie gut verfügbar und speicherbar ist. Nur mit Wind-, Solar- und Wasserenergie wird kein Ökostrom-Anbieter seine Kunden nachweislich mit Ökostrom rund um die Uhr versorgen können. Die Biomasse ist in einem regenerativen Mix unverzichtbar.

Wie wirtschaftlich sind die Holzheiz-Projekte? Wie hoch liegt beispielsweise der Wärmepreis?

Der Preis ist abhängig von der Größe der Projekte. In Verden, wo seit Mitte 1998 ein Holzheizwerk mit zwei Megawatt thermischer Leistung läuft, wird die Wärme für 85 Mark pro Megawattstunden (MWh) abgenommen. Der Landkreis Verden als Hauptwärmeabnehmer war hier sogar bereit, noch einen zehnprozentigen Ökozuschlag zu zahlen. Der Wärmepreis bei dieser Größenordnung hätte bei rund 80 Mark/MWh gelegen. Bei anderen industriellen Projekten liegen die Preise zwischen 30 bis 40 Mark/MWh. Dieser Preis läßt sich aber nicht mit Durchforstungsholz und Stroh erzielen, sondern setzt den Einsatz von Gebrauchthölzern voraus.

Für die nächsten Jahre haben Sie den Bau von etwa 200 modernen Holzheizkraftwerken angekündigt. Wann werden die ersten 100 in Betrieb sein?

Das hängt stark von den politischen Rahmenbedingungen ab. Eine Ökosteuer und ihre nächste Stufe, die die fossilen Energieträger spürbar belastet, sowie die Gleichstellung der Bioenergie mit den anderen erneuerbaren Energien würde uns sehr weiterhelfen. Interview: Ralf Köpke