Wirbel um Wasserleichen

Togos Regierung will amnesty international wegen eines extrem harten Menschenrechtsberichtes verklagen    ■ Von Dominic Johnson

Berlin (taz) – Autoritäre Regime mögen es nicht, wenn amnesty international sie kritisiert. Aber wenige reagieren so aufgeregt wie jetzt die Regierung des westafrikanischen Togo. Sie will die Menschenrechtsorganisation wegen übler Nachrede verklagen und hat dafür ein hochkarätiges Anwaltssextett engagiert – geführt vom französischen Staranwalt Jacques Verges, der sich bereits als Verteidiger anderer unliebsamer Personen wie Terrorist „Carlos“ oder Gestapo-Chef Klaus Barbie einen Namen gemacht hat.

„Togo: Staatlicher Terror“ heißt der inkriminierte Bericht, den amnesty am 5. Mai veröffentlichte. Gegen das Regime von Gnassingbe Eyadema werden nicht nur seit Jahren bekannte Vorwürfe wiederholt – „außergerichtliche Hinrichtungen“, „willkürliche Festnahmen“. „Folter und Mißhandlungen“. Der Bericht macht auch schwerwiegende neue Anschuldigungen im Zusammenhang mit den Präsidentschaftswahlen vom Juni 1998, bei denen Präsident Eyadema sich nach Abbruch der für ihn ungünstigen Stimmenauszählung durch das Militär zum Sieger hatte erklären lassen. Hunderte von Menschen seien getötet, einige aus Flugzeugen über dem Meer abgeworfen worden – Praktiken, die an die „schmutzigen Kriege“ in Lateinamerika in den 80er Jahren erinnern.

„Im Juni 1998, während des Wahlkampfes für die Präsidentschaftswahlen und nach der Bekanntgabe des Ergebnisses, wurden Hunderte von Personen, unter ihnen Militärs, außergerichtlich hingerichtet“, heißt es. „An den Stränden in Togo und Benin wurden Tote gefunden, auf dem offenen Meer vor Benin wurden mindestens vier Tage lang Leichen gesehen ... Fischer aus Togo und Benin sowie togoische Bauern berichteten von ungewöhnlichem Flugverkehr von Flugzeugen und Helikoptern, die bisweilen in sehr geringer Höhe das offene Meer überflogen ... Kurz nachdem Flugzeuge aufgetaucht waren, wurden an den Stränden Leichen gefunden.“

Ein Fischer wird zitiert mit der Aussage, es trieben „Hunderte von Körpern auf dem Meer“, ein anderer will in seinen Netzen Kadaver in Handschellen gefunden haben, von denen einige in Uniform waren. Es werden weiter eine Reihe von Namen mutmaßlich Verschwundener genannt.

Diese Angaben, die das Ausmaß staatlicher Repression in Togo weit über das bekannte Maß hinausgehen lassen, sind nun Anlaß für außergewöhnliche Wutausbrüche des togoischen Staates. Der Bericht sei das Werk einer „Fälscherbande“ im Dienst der Opposition, erklärte die Regierung. Premierminister Kwassi Klutse persönlich leitete einen Protestmarsch gegen den „subversiven“ Bericht. Amnesty-Generalsekretär Pierre Sane wurde einer „politischen Kampagne“ bezichtigt.

Neben den angeblichen Vorfällen um die Präsidentschaftswahl regt sich die Regierung auch über den Begriff des „staatlichen Terrors“ auf. Sie ist so wütend, daß sie drei Menschenrechtler wegen „Verbreitung falscher Nachrichten“ verhaftet hat, weil sie amnesty von Menschenrechtsverletzungen erzählt hatten.

Die Regierung verweist darauf, daß bisher nicht einmal die sonst nicht zimperliche togoische Oppositionspresse vom Verschwinden Hunderter gesprochen habe. Die Berichte über Leichenabwürfe im Meer seien „surrealistisch“. Eine unabhängige Untersuchung lehnt die Regierung aber ab. Dies fordert Togos Opposition, die nach eigenen Angaben bisher ebenfalls keine Kenntnis der von amnesty gemeldeten Vorfälle hat.

Amnesty bleibt bislang bei seiner Darstellung. Und daß es etwas zu untersuchen gibt, geht nicht nur aus dem amnesty-Bericht hervor. Der im Februar veröffentlichte Menschenrechtsbericht des US-Außenministeriums spricht mehrmals von Massengräbern und Massenbegräbnissen im Zusammenhang mit außergerichtlichen Hinrichtungen in Togo. Auf die US-Veröffentlichung hat Togos Regierung nicht reagiert.