Überraschung kurz vor Schluß

Unerwartet und in letzter Minute gelingt Olivetti die feindliche Übernahme der Telecom Italia. Geplante Fusion der TI mit der Deutschen Telekom fraglich  ■   Aus Rom Werner Raith

Noch am Freitag morgen, wenige Stunden vor Auslaufen der Olivetti-Offerte, hatte Telecom-Italia-Chef Franco Bernabé Zuversicht ausgestrahlt: Erst 20 Prozent der TI-Aktieninhaber hätten ihre Anteile an den schluckgierigen Olivetti-Konzern veräußert, der seit einem Monat öffentlich eine feindliche Übernahme mit überhöhten Kaufangeboten für Telecom-Aktienbesitzer betrieben hatte: „Die brauchen aber 50 Prozent plus eine Aktie“, rechnete Bernabé vor.

Am Freitag nachmittag war es dann trotzdem soweit: Mit fliegenden Fahnen wechselten nun auch die Großaktionäre der vor fünf Jahren privatisierten Telecom ins Olivetti-Lager, darunter die Versicherungsgruppe Generali, die Bankenriesen San Paolo-IMI, Comit und Unicredit – und am Ende auch die bisher hartnäckigsten Gegner der Übernahme, die Finanzinstitute der Fiat-Familie Agnelli. Am Abend stand fest: Olivetti hat sich mit seinem Angebot von 11,50 Euro pro Aktie 51,02 Prozent der Anteile gesichert.

In Italien gilt die geglückte feindliche Übernahme als ein neues Bravourstück des größten Finanzierungsinstituts der Privatwirtschaft, der Mediobanca, und ihrer 92jährigen grauen Eminenz Enrico Cuccia. Der Coup zeigte ein weiteres Mal, daß sich auch Größen der Schwerindustrie wie Fiat vor dem reinen Geldmanagertum beugen müssen. Auf internationalem Parkett bedeutet die Olivetti-Übernahme zunächst einmal einen herben Rückschlag bei der schon besiegelt geglaubten Fusion der Telecom Italia mit der Deutschen Telekom.

Vor sechs Wochen, als die erste Übernahmeofferte von Olivetti bereits vorlag, hatte Ron Sommer, Chef der Deutschen Telekom, über Nacht das Angebot von seinem italienischen Kollegen Bernabé zu einer Verschmelzung der beiden Konzerne angenommen – nach Meinung vieler Börsianer, ohne dabei die verbundenen Risiken ausreichend zu berücksichtigen. Aber auch Bernabé bekam bereits unmittelbar nach der Paraphierung des Vertrags zu Hause mächtige Schwierigkeiten. Für eine Billigung fehlte zunächst auf einer schnell einberufenen Aktionärsversammlung die beschlußfähige Mehrheit. Ein Antrag der Telecom an die Börsenaufsicht, das Übernahmeverfahren wegen mehrerer Formfehler auszusetzen, wurde wiederholt zurückgewiesen. Und dann wandten sich auch mehr und mehr Politiker von dem einstigen Hätschelkind der Managerclique ab: Selbst der damalige Schatzminister Carlo Azeglio Ciampi runzelte die Stirn ob der Fusionspläne. Nicht, weil Transnationalität unerwünscht war, sondern weil die deutsche Telekom noch immer zu etwa 75 Prozent in Staatshänden liegt und man sich „irgendwie blöd vorkommt“, so ein Ministerialer, „wenn man die eigenen Staatsfirmen privatisiert, und dann werden sie mit einer ausländischen Staatsfirma fusioniert“.

Probleme wird es für Olivetti trotz knallender Sektkorken reichlich geben. Der frühere Schreibmaschinenhersteller muß für die ihm offerierten 2,7 Milliarden Aktien rund 60 Milliarden Mark zahlen. Um das nötige Kapital zusammenzukratzen, muß das Unternehmen etwa seine umsatzstarken Mobilfunkbeteiligungen bei Omnitel und Infostrada für 15 Milliarden Mark an den deutschen Mannesmann-Konzern verkaufen.

Und so sind denn auch selbst diejenigen, die in letzter Minute noch bei der Aktion mitgezogen haben, keineswegs überzeugt, ob diese Übernahme nicht am Ende ein Pyrrhus-Sieg ist: Fiat-Patriarch Gianno Agnelli wünschte Olivetti „alles Gute für ein Geschäft, von dem man bisher aber lediglich einen Riesenhaufen Schulden sieht“.