■ Italien: Die seltsame Bewältigung des Terroranschlags in Rom
: Erinnerung an die bleiernen Jahre

Das tödliche Attentat auf den italienischen Regierungsberater Massimo D'Antona erinnert fatal an den Beginn der „bleiernen Jahre“ des Terrorismus. Die Erinnerung an damals wird wach, weil der „Palazzo“, das Machtkartell der großen Parteien, die Sache genauso wie damals mit Pfeifen im Walde und politischer Instrumentalisierung zu bewältigen versucht. So behauptet Regierungschef D'Alema, es handle sich „lediglich um eine Handvoll Mörder und nichts weiter“, um Leute, die „keinerlei Konsens in der Gesellschaft haben“.

Genau diese Fehleinschätzung hatte Anfang der 70er schon Enrico Berlinguer zu der Illusion verleitet, mit Massendemonstrationen der Gewerkschaften würde man den Roten Brigaden ihre Isolation vor Augen führen können. Ein Jahrzehnt dauerte es, bis der „bewaffnete Kampf“ abebbte – und nicht weil der Staat ihn niederrang, wie D'Alema schwadroniert, sondern weil sich die größenwahnsinnigen Brigadisten zu immer absurderen Aktionen verstiegen.

Die Selbstberuhigung, das neue Attentat habe keinerlei sozialen Resonanzboden, ist jedenfalls unangebracht, egal wer dahintersteckt. Die Gefährlichkeit des neuen Terrorismus steckt in seiner politischen Stoßrichtung, die übrigens viel weniger leninistisch-elitär ist als die früheren BR-Generationen. Neokommunisten-Chef Fausto Bertinotti hat Passagen des Bekennerbriefes der „neuen Roten Brigaden“, wie die Denunzierung der Nato-Aktionen als völkerrechtswidriges Vorgehen und die Schelte des neuen Sozialpakts als Knebelung der sozial Benachteiligten, nicht ganz zu Unrecht als „durchaus nachvollziehbar“ bezeichnet. Die wütenden Angriffe, die er daraufhin einstecken mußte, belegen die unterschwellige Furcht der Herrschenden, daß mit solchen Argumenten eine ansehnliche Anzahl unzufriedener Italiener erreicht und zu Sympathisanten der Attentäter gemacht werden könnte.

Die Hilflosigkeit, die sich derzeit angesichts der Ignorierung des Volkswillens durch die Politik breitmacht, ist kein schlechter Nährboden für Extremismus – und auch Terrorismus. Werner Raith