Plötzlich Geld für Autobahnen

Trotz leerer Kassen: Bundesprogramm stellt acht Milliarden für umstrittene Verkehrsprojekte in den neuen Ländern in Aussicht  ■   Von Thorsten Denkler

Berlin (taz) – Bis gestern litt die Bundesregierung noch unter knappen Kassen. An neue Autobahnen war nicht zu denken. Über Nacht ist alles anders geworden. Das Bundeskabinett beriet gestern das Bundesprogramm „Verkehrsinfrastruktur Neue Bundesländer“. Das Programm wäre mit rund acht Miliarden Milliarden Mark dotiert; fünf Milliarden aus Bundesmitteln und drei Milliarden aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (Efre). Mit dem Geld sollen in den Jahren 2000 bis 2006 vor allem Bundesautobahnen in den neuen Ländern gebaut werden, die aus Geldmangel auf die lange Bank geschoben worden waren. Dazu gehören etwa die A 241 von Schwerin nach Wismar, die A 17 von Dresden nach Prag und auch die Rügenabindung an die A 20 – allesamt höchst umstrittene Projekte.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) wirft Bundesverkehrsminister Franz Müntefering (SPD) in einem offenen Brief vor, mit diesem Programm den eigenen Koalitionsvertrag zu verletzen. Eigentlich sollten die Investitionen in Straße und Schiene angeglichen werden. In dem Sonderprogramm aber spielt der ÖPNV nur eine untergeordnete Rolle. „Der Verkehrsminister glaubt anscheinend immer noch, mit Autobahnen Probleme lösen zu können“, ärgert sich Tilmann Heuser, Verkehrsreferent beim BUND.

Glücklich sind auch die Grünen mit dem Vorgehen des Verkehrsministers nicht. Sie wurmt vor allem, daß Projekte in die Förderung aufgenommen wurden, die eigentlich noch hätten überprüft werden sollen. Die Projekte fallen jetzt aus der im Koalitionsvertrag vereinbarten Prüfung des Bundesverkehrswegeplans heraus.

Die neuen Bundesländer müssen dem Maßnahmenpaket der Bundesregierung zustimmen. Weil die Zuständigkeit für die Planung und Finanzierung von Autobahnen, überregionalen Schienentrassen und Wasserstraßen beim Bund liegt, haben sie mit der Regierung ein Geschäft gemacht: Die neuen Länder geben von den ihnen zugewiesenen 40 Milliarden Efre-Mark drei Milliarden Mark dem Bund, und im Gegenzug baut derdie Infrastruktur der Länder aus.

Daß dieser Schuß auch nach hinten losgehen kann, zeigt sich am Land Thüringen. Es hat von den ihm zustehenden EU-Mitteln 510 Millionen Mark in die Verantwortung des Bundesverkehrsministers übergeben. „Nach den jetzigen Plänen bekommen wir aber nur 375 Millionen wieder“, wundert sich Klaus Hofmann, Sprecher im Ministerium für Wirtschaft und Verkehr. Damit soll die Autobahn A 71 gebaut werden. Aber die Thüringer wollen eigentlich auch ihr Schienennetz ausbauen. Vor allem die ICE-Trasse Erfurt – Nürnberg und der zweigleisige Ausbau der Mitte-Deutschland-Strecke liegt ihnen am Herzen. Sollte keines dieser beiden Projekte realisiert werden können, wird Thüringen seine Zustimmung verweigern. Damit wäre das gesamte Bundesprogramm gestorben.