Umstrittene Truppenaufstockung

■ Rudolf Scharping sieht den Einsatz von 2.000 zusätzlichen deutschen Soldaten durch den alten Bundestagsbeschluß gedeckt. Opposition und Bündnisgrüne sehen das ganz anders

Die beabsichtigte Aufstockung der Nato-Friedenstruppe im Kosovo ist bei den im Bundestag vertretenen Parteien auf Skepsis gestoßen. Der Nato-Rat hatte eine Erhöhung auf 45.000 Soldaten beschlossen, daran soll sich Deutschland mit 2.000 Mann beteiligen. Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping sagte, die Bundeswehr werde „einen angemessenen und starken Beitrag“ leisten, wenn es darum gehe, eine wie auch immer geartete internationale Kosovo-Vereinbarung umzusetzen. Dafür ist nach Ansicht des Verteidigungsministeriums kein neuer Beschluß des Bundestages erforderlich. Denn bereits im Februar sei ein Kontingent von 4.500 plus 500 beschlossen worden, mit dem die zuvor stationierten 1.000 Soldaten verstärkt werden sollten. Tatsächlich seien bisher jedoch erst 3.900 Soldaten entsandt worden.

Die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen, Angelika Beer, will diese Rechnung allerdings nicht akzeptieren. Sie sagte, daß sich die Rahmenbedingungen seit Februar geändert hätten. Beer sagte weiter, sie sehe eine solche Truppenverstärkung äußerst kritisch. Die Absichten der amerikanischen und britischen Bündnispartner könnten bei der in Aussicht genommenen präventiven Stationierung in Richtung eines Bodentruppeneinsatzes gehen – ob mit oder ohne Mandat. Die Verstärkung wirke möglicherweise kontraproduktiv auf die diplomatischen Bemühungen, da Rußland unter Entscheidungsdruck gestellt werde. Die Verhandlungen, so Beer, seien an einem entscheidenden Punkt, jetzt müsse man auf Diplomatie setzen, sonst drohe die nächste Eskalationsstufe. Statt einer Aufstockung der Truppen plädierte Beer für eine humanitären Waffenstillstand. Einem Bodentruppeneinsatz gegen den Willen Serbiens erteilte sie auch für den Fall eine klare Absage, daß sich Rußland daran beteiligte und ein Mandat dafür vorliege.

Ähnlich deutlich äußerte sich der verteidigungspolitische Sprecher der CDU, Paul Breuer. Er schließe Bodentruppen zur Friedenserzwingung aus, ob mit oder ohne Mandat. Die Union akzeptiere nur deren Einsatz zur Implementierung des Friedens. Dabei müsse man sich allerdings genau die politischen Ziele und die militärischen Mittel anschauen, um eine unverantwortliche Eskalation zu vermeiden. Breuer warf in diesem Zuammenhang der Bundesregierung Mängel in ihrer Informationspolitik vor.

Der verteidigungspolitische Sprecher der FDP, Jürgen Koppelin, sagte, es sei ein grundsätzliches Problem, daß die Bundesregierung kaum noch informiere. So sei die von der Regierung favorisierte Mixtur von diplomatischen und militärischen Mitteln nicht bekannt. Er habe den Eindruck, daß die Amerikaner „machen, was sie wollen“. Von der FDP gebe es keine Zustimmung zu einem Einsatz von Bodentruppen ohne UN-Mandat. Er halte es aber für möglich, daß die Bundesregierung einen Bodentruppeneinsatz mitmache, weil das rot-grüne Bündnis seine Nato-Treue beweisen müsse. Dieter Rulff