Polizeivideo widerspricht Notwehrversion

■  Mitglieder des parlamentarischen Untersuchungsausschusses verlangen eine Neubewertung der Schüsse auf Kurden am israelischen Generalkonsulat in Grunewald. Bundesregierung soll sich einschalten

Eine Neubewertung der Schüsse am israelischen Generalkonsulat forderten gestern Politiker verschiedener Parteien. Das Fernsehmagazin Kontraste hatte Ausschnitte aus einem Polizeivideo veröffentlicht hat, das der bisherigen Darstellung durch die israelischen Behörden und der Berliner Polizei widerspricht. Der Vorsitzende des parlamentarischen Untersuchungsausschusses, Wolfgang Wieland (Bündnisgrüne) sagte, aufgrund der Bilder bestehe der „dringende Verdacht“, daß die israelischen Kräfte die Grenzen der erlaubten Notwehr überschritten hätten. Weil sie aber von der Immunität geschützt werden, können sie rechtlich nicht belangt werden. „Das Video wird die israelische Regierung in Erklärungsnot bringen“, sagte Wieland.

Der innenpolitische Sprecher der SPD, Hans-Georg Lorenz, fordert nun , daß das Verhalten der Kurden, die strafrechtlich belangt werden, neu bewertet werden müsse. „Wie aggressiv sie waren, ist für das Straßmaß schließlich sehr relevant“.

Die PDS-Abgeordnete Marion Seelig forderte, die Bundesregierung müsse „mit der israelischen Regierung Gespräche führen, damit die Sicherheitsbeamten doch noch als Zeugen aussagen“. Auch Wieland hält es für angemessen, „daß die Sicherheitsbeamten noch einmal mit den neuen Erkenntnissen konfrontiert werden“.

Nach Einschätzung der Sendung Kontraste geht aus dem Polizeivideo hervor, daß die israelischen Sicherheitsleute auf drei der vier tödlich verletzten KurdInnen geschossen haben, ohne in Notwehr zu handeln. 15 weitere KurdInnen wurden zum Teil schwer verletzt.

Diese Version widerspricht der Darstellung der beiden israelischen Sicherheitsleute, die geschossen haben. Nach ihren Aussagen befanden sie sich bei allen Schüssen in einer Notwehrsituation. Dies hatte Generalstaatsanwalt Hansjürgen Karge bereits im März in Zweifel gezogen.

Das Polizeivideo zeigt, daß die auf der Außentreppe des Konsulats stehenden Kurden nur teilweise mit Ästen bewaffnet waren, nicht aber mit Äxten und Eisenstangen, wie die Israelis behauptet hatten.

Außerdem sind auf den Bildern nur 20 Kurden zu sehen. Nach der offiziellen Darstellung sollen es 200 gewesen sein. Zum Großteil hatten sie der Tür den Rücken zugedreht. Sie wollten also offensichtlich nicht in das Konsulat eindringen. Weitere zehn KurdInnen hätten sich zu diesem Zeitpunkt im Konsulat aufgehalten, so Kontraste.

Panik brach erst aus, als plötzlich Schüsse abgefeuert wurden, die nach Aussage eines Polizeibeamten, den Kontraste zitiert, von zwei Personen abgegeben wurden, die in der Tür standen. „Ich konnte sehen, daß die stehende Person, ohne den Schußarm zu senken, das Magazin aus seiner Waffe drückte und mit einem neuen Magazin sofort nachlud. Er schoß mit der neu versorgten Waffe sofort weiter mit einer Geschwindigkeit, die man nahezu als Dauerfeuer beschreiben kann.“ Die israelischen Behörden hatten behauptet, daß lediglich ein Schuß „nach draußen“ gegangen sei. Die Kurden stürzen die Treppe herunter, die Polizei warf Tränengas.

Weiterhin zitiert Kontraste einen Kurden, der während der Schießerei oben auf der Treppe des Generalkonsulats stand. Er sah, wie die 18jährige Sema Alp starb: „Als vor mir die ersten zusammenbrachen, hob ich die Hände hoch und rief gleichzeitig: Nicht schießen! Unmittelbar vor mir stand Sema Alp. Als sie getroffen wurde, befand sie sich außerhalb des Gebäudes. Gleich darauf wurde ich selbst getroffen.“

Die israelische Generalkonsulin Miryam Shomrat wies gestern alle Vorwürfe zurück. Sie seien „total aus der Luft gegriffen“. Weiter wollte sich Shomrat aber nicht äußern. Von der Innen- und der Justizverwaltung sowie der Polizei war gestern keine Stellungnahme zu erhalten. Julia Naumann Sabine am Orde

Bericht Seite 6, Kommentar Seite 12