Jetzt zugreifen: Den Euro gibt's zu Dumpingpreisen

■ Ein Rekordtief nach dem anderen muß die europäische Einheitswährung verkraften. Schuld ist neben dem Kosovo-Krieg vor allem die übermächtige US-Wirtschaft

Berlin (taz) – Die einst hochgelobte Retortenwährung im neuen Euroland hat in den letzten Tagen wieder herbe Dämpfer einstecken müssen: Gestern startete der Euro-Handel genauso rekordverdächtig schwach, wie er am Mittwoch beendet wurde. Einen Euro gab es zwischenzeitlich zum Dumpingpreis von 1,0409 Dollar. Der Euro ist so schwach auf der Brust, daß selbst der Chefökonom der Deutschen Bank, Norbert Walter, einen Euro-Dollar-Kurs von 1:1 nicht mehr ausschließen mag. Er verweist nicht nur auf die Unsicherheiten durch den Kosovo-Krieg, sondern auch auf die Risse im Euro-Stabilitätspakt. Am Dienstag hatten die EU-Finanzminister Italien ein höheres Haushaltsdefizit zugestanden, als nach dem Waigel-Pakt erlaubt wäre.

Dabei hat es alles so schön angefangen. Geradezu euphorisch wurde der Euro auf den internationalen Finanzmärkten zu Jahresbeginn empfangen. Der Anfangswert damals: Rund 1,18 US-Dollar. Eine Mitschuld am stetigen Verfall des Euro soll die Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt haben. Das glaubt zumindest der Tübinger Wirtschaftswissenschaftler und Euro-Kritiker Joachim Starbatty. Die EZB mache einen Fehler, wenn sie der Politik Vorgaben mache, wie sie das Problem des starren Arbeitsmarkts zu lösen habe, sagt Starbatty. Er glaubt, die EZB lähme die Handlungsfähigkeit der europäischen Regierungen.

Mit seiner Kritik an der EZB steht Starbatty jedoch allein auf weiter Flur. Der noch amtierende Bundesbankchef Hans Tietmeyer hat jede Verantwortung der EZB für den Kursverfall zurückgewiesen. Vielmehr seien struktuelle Defizite auschlaggebend.

Im Klartext: Der amerikanischen Wirtschaft geht es so gut wie nie zuvor, der US-Arbeitsmarkt ist wie leergefegt, und der Staatshaushalt hat gar einen Überschuß erwirtschaftet. Der Krieg in Jugoslawien gilt zwar auch als Schwächefaktor für den Euro. Doch entscheidenden Einfluß auf die Euroland-Währung hat er nicht, meint der Euro-Experte vom Münchner Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung, Wolf Dumke. Die finanziellen Aufwendungen für den Krieg seien dafür relativ zu gering.

Nicht der Euro wird schwächer, sondern der Dollar immer stärker, meint Dumke. Der Euro sei keinen größeren Turbulenzen ausgesetzt als zuvor etwa die Deutsche Mark. Wer den Euro historisch zurückrechne, werde festellen, daß er sich sogar als sehr stabil präsentiere. Von einer dramatischen Zuspitzung könne überhaupt keine Rede sein. Im Gegenteil: Die europäische Wirtschaft profitiere ja schließlich vom schwachen Euro. Es ist für ausländische Käufer jetzt schlicht billig, Waren aus der EU zu importieren.

Der Euro habe, so Dumke, nur in einer Hinsicht entäuscht: „Er entwickelt sich langsamer zur internationalen Leitwährung als gedacht.“ Zentralbanken steigen kaum auf den Euro als Reservewährung um, und auch der Welthandel wird weiterhin meist in Dollar abgewickelt. Und mit jeder Kurskorrektur nach unten sinkt das Vertrauen der Anleger in die Währung.

Die Hoffnungen auf eine baldige Erholung des Euro sind aber nicht begraben. Zumindest der scheidende Bundesbank-Präsident Hans Tietmeyer – nicht gerade als Euro-Freund bekannt – äußerte kürzlich beim Frankfurter Bankenabend die Ansicht, es stekke noch ein enormes Potential im Euro. Die anfängliche Euphorie sei lediglich einer besonneneren Beurteilung gewichen. Und EZB-Chef Wim Duisenberg meint, daß der Wechselkurs allein ohnehin nur „sehr begrenzt“ als Maßstab für den „inneren Wert und die Stabilität der Währung“ herangezogen werden könne. Schließlich müssen sich die Euro-Skeptiker entgegenhalten lassen, daß selbst die D-Mark zum Teil extreme Kursschwankungen aushalten mußte. Die Erinnerungen an Kurse von 1,50 Mark für einen Dollar müßten wachgehalten werden, meinen Bundesbanker. Dagegen stehe der Umrechnungskurs des Dollars zur Mark derzeit mit rund 1,83 Mark sehr gut da. Und ein weiteres starkes Absinken des Euro sei nicht zu befürchten, meint Wolf Dumke. „So langsam dürfte sich der Euro eingependelt haben.“ Thorsten Denkler