Bremer Delegation bei Arafat

■ Eindrücke von einer Reise nach Gaza: „Es ist schwer, in dieser Situation von Frieden zu reden.“ Und: „Das erinnert mehr an ein riesiges Gefängnis.“

Die Wahl des israelischen Staatspräsidenten, so lautete die weitverbreitete Meinung unter den palästinensischen Jugendlichen, sei für die Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen von eher nachrangiger Bedeutung. Viel entscheidender sei die Unterstützung aus dem Ausland. Wenn Europa, aber auch die USA, die Gründung eines palästinensischen Staates befürworteten, wachse auch der Druck auf Israel, einem gerechten Frieden zuzustimmen.

Daß die Unterstützung aus Europa nicht nur Sache der Europäischen Union und einiger Außenminister ist, wollte eine Delegation aus Bremen demonstrieren, die die palästinensischen Autonomiegebiete im April besuchte. Die Deutsch-palästinensische Gesellschaft und der sozialistische Jugendverband „Die Falken“ hatten die Reise für 17 TeilnehmerInnen organisiert, darunter Jugendliche und auch MitarbeiterInnen der Bremer Gesundheits- und Jugendbehörde. Politisch nahm die Fahrt ihren Auftakt mit einem Besuch bei Palästinenserführer Yassir Arafat.

Die Situation im Gazastreifen, wo der Palästinenserpräsident sein Hauptquartier aufgeschlagen hat, brannte sich den DelegationsteilnehmerInnen ins Gedächtnis. „Es ist schwierig“, sagte eine Delegationsteilnehmerin, „in einer solchen Situation von Frieden zu reden.“ Zuvor hatte bereits der Übergang am Grenzkontrollpunkt Erez mulmige Gefühle geweckt. Dem Bremer Sozialarbeiter Mounir El Serri, Mitglied der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft, erschienen sie weitaus bedrohlicher als die ehemaligen deutsch-deutschen Grenzanlagen. Der Umstand, daß in Gaza 1,2 Millionen Menschen auf engstem Raum leben, ließ schnell das Wort von einem „riesigen Gefängnis“ die Runde machen.

Daß der Friedenspro-zeß und auch die Vereinbarungen von Oslo bislang kaum zu einer Verbesserung der Lebensverhältnisse geführt haben, zeigte sich auch im Westjordan-land. „Einer unserer Busfahrer durfte die von uns, die bei Familien in Ostjerusalem untergebracht waren, nicht abholen“, berichtet die 17jährige Imke Sudmann und erklärt, daß die Palästinenser aus den Autonomiegebieten das besetzte Ostjerusalem nur mit Sondergenehmigung betreten dürfen. Die wiederum bekomme nur, wer sich bei den israelischen Behörden während der Intifada nichts habe zuschulden kommen lassen. „Wer die Checkpoints illegal überschreitet“, so Sudmann, „dem drohen bis zu sechs Monate Gefängnis.“

Die Bremer bekamen aber nicht nur israelische Grenzübergänge zu sehen oder mußten lernen, was es heißt, sich von einer Sicherheitszone zur nächsten zu bewegen. „Beeindruckend war auch der Aufbau einer ganzen Gesellschaft, von politischen Initiativen bis zu Schulen, Kindergärten oder Jugendeinrichtungen“, sagt Frank Pietrzok, Falken-Geschäftsführer und SPD-Bürgerschaftskandidat, der zusammen mit El Serri das Programm organisiert hatte. Dazu gehörten auch Besuche bei dem unabhängigen Radiosender „Voice of Love and Peace“ in Ramallah, dem Menschenrechtsverein Al Haq, einer Behindertengewerkschaft und einem der vielen Frauenkommittes. „Gottseidank haben wir da auch andere Meinungen als nur die von palästinensischen Funktionären kennengelernt“, sagt die 16jährige Anna Strauß.

Auf welch wackeligen Beinen der Aufbau der Zivilgesellschaft oder auch der wirtschaftlichen Infrastruktur steht, zeigte aber nicht nur der Besuch von drei Flüchtlingslagern in Kalandiya, Bethlehem oder Jericho. Vor allem die Reise nach Hebron im Süden des Westjordanlands blieben den allermeisten in schlechter Erinnerung. „100 Siedlerfamilien werden da von 2000 Soldaten beschützt“, schrieb Dorothee Klaes vom Amt für Soziale Dienste in ihr Reisetagebuch und schilderte, wie sich die BewohnerInnen der Basargassen in der Altstadt mit Netzen vor Steinen und Müll schützen, den die jüdischen Siedler aus ihren darüberliegenden Häusern werfen. Klaes' Fazit: „Hebron ist ein Pulverfaß.“ Auch nach dem israelischen Teilabzug hat sich im 120.000 EinwohnerInnen zählenden Hebron mit der jüdischen Siedlung inmitten der Altstadt nichts geändert.“

Insgesamt kehrte die Delegation zufrieden zurück. Und daß sie vor der Ausreise am Flughafen gründlich gefilzt wurde, wertete ihre Mission sogar auf. „Gastgeschenke von Palästinensern hat eben nicht jeder Tourist im Gepäck“, sagt Frank Pietrzok. Der SPD-Bürgerschaftskandidat sieht das so: Je mehr Delegationen durch die Autonomiegebiete reisen, desto mehr wissen die Israelis, daß ihre Politik auch international auf dem Prüfstand steht.“ Uwe Rada