Ja, wir glauben Dir!

■ Vielfältige Glücksmodifikationen in der Columbiahalle: Brandy macht einfach alles gut – sogar das, was sie nicht so gut macht

Manchmal macht Glück ratlos, manchmal macht Glück glücklich und ganz selten beides. Wenn Brandy bei ihrem Konzert in der Columbiahalle eines ausstrahlte, dann war es dieses Glück. Das Glück eben Brandy zu sein, das Glück diese schönen Lieder mit diesen großartigen Musikern singen zu dürfen, das Glück Tänzer dabei zu haben, die so great sind und das Glück für uns singen zu dürfen, für uns, das tolle Publikum. So geht R'n'B, vor lauter Perfektion sind die Gefühle echt, weil sie Show sind. Wahrscheinlich war Brandy wirklich glücklich. Siestrahlte, als sie sang, als sie ihre Musiker vorstellte und als sie ihren Tänzern zuschaute.

Seit Brandy zwei Jahre alt ist, hat sie nicht viel anderes gemacht, als ihre Karriere voranzutreiben. Mit zwei sang sie zum ersten Mal ein Solo im Kirchenchor ihres Vaters. Mit elf präsentierte sie sich zum ersten Mal bei einer Plattenfirma und mit vierzehn hatte sie schon vier Millionen Platten verkauft. Heute ist sie zwanzig, hat noch ein paar Millionen Platten mehr verkauft, schauspielert nebenbei, hat ihre eigene Fernsehsoap und ihre eigene Fernsehproduktionsfirma. Die gehört allerdings zur Hälfte ihren Eltern. Und die standen während des gesamten Konzerts seitlich hinter der Bühne, lugten ab und zu nach vorn, drückten ihrer Tochter die Daumen, warfen ihr nach dem letzten Lied ein Handtuch über und verschwanden.

Doch vorher gab Brandy das perfekte R'n'B-Konzert. Obwohl sie eigentlich als Two-Hit-Wonder in Europa auf Tour ist, stand sie als der Soulsuperstar auf der Bühne, der sie in den USA ist. Alles was sie machte, machte sie gut – sogar das, was sie nicht gut machte. Das machte sie eigentlich noch besser. Tanzen zum Beispiel. Denn zwischen ihren fünf Waschbrettbauch-Tänzern sah Brandy dann doch etwas unbeholfen aus, so wie jemand, der gerade noch einen Wachstumsschub bekommen hat und nicht recht weiß, wohin mit den schlaksigen Gliedern. Aber genau das machte sie nur noch charmanter. Zu „On top the world“ fuhr sie auf einer unsichtbaren Hebebühne empor, und bei „The boy is mine“ stritt sie sich mit den Tänzerinnen um ihre Tänzer und sprang ausgelassen um die Bühnenaufbauten herum. Zwar wechselte sie ihr Bühnen-Outfit nicht, was ja eigentlich eine Pflicht im R'n'B ist, aber die Souldiva hätte sie auch nicht geben können. Das ist erst für das Jahr 2010 vorgesehen. So stand sie in Jeans und weißem Oberteil auf der Bühne, als das Mädchen von nebenan, das sich mit den anderen Mädchen um einen Jungen streitet. Und das so schön singen kann, daß den streitlustigsten Weddinger B-Boys das Herz aufging. Als sie schließlich als Zugabe „What ever I do (I do it for you)“ anstimmte, den Schmachtfetzen von Bryan Adams, war es final um das Publikum geschehen. Hätte es Bänke gegeben, man hatte sich draufgestellt und gerufen: „Ja, wir glauben dir! Denn du machst uns glücklich!“ Da hatte man fast vergessen, daß das ganze Konzert gerade mal knapp eine Stunde gedauert hatte, also fast eine Mark pro Minute zu zahlen war. Es hatte sich angefühlt, als seien es nur zehn Minuten gewesen. Tobias Rapp