„Ein Halbgott, als ich ihn kennenlernte“

■ Ein Gespräch mit Corinne Hofmann, der Autorin des Buches „Die weiße Massai“, über ihre Erfahrungen bei den Massai, die Faszination des Fremden und ihre Rolle als Frau

taz: Sehen Sie sich selbst als Aussteigerin?

Corinne Hofmann: Nein, überhaupt nicht. Ich bin sehr viel gereist. Hatte aber nirgends in der Welt das Gefühl, hier will ich bleiben. Bevor ich nach Kenia ging, besaß ich in der Schweiz ein gutgehendes Brautmodengeschäft, einen Sportwagen und einen anderen Wagen und eine neu eingerichtete Wohnung.

Konnte Ihr Massai-Mann mit Ihrem Begriff von Liebe etwas anfangen?

Am Anfang nicht, aber dann hat er etwas Neues kennengelernt. Er hat auch Gefühle entwickelt. Und ich glaube, er war schließlich so sehr eifersüchtig auf mich, weil er dieses Neue nicht mehr verlieren wollte.

Waren Sie ein Geschenk des Himmels für ihn? Normal muß der Massai doch für die Frau bezahlen. Sie hingegen brachten Geld und einen Wagen in sein abgeschiedenes Dorf.

Ja sicher. Also, die Hochzeit mußte er nicht ausrichten, wie er es normalerweise hätte machen müssen. Am Anfang war ihm auch peinlich, wenn ich beispielsweise die Ziegen bezahlt habe. Später hat sich das geändert. Da verpraßte er das Geld.

Was hat Sie an Ihrem Mann fasziniert?

Also, sein Aussehen hat mich ganz stark beeindruckt. Das ist klar. Aber nicht nur seine äußere Erscheinung, auch das, was ihn umgeben hat. Diese ganze Aura. Und dann noch die Empfindung, die ich hatte, als ich aus dem Flugzeug ausstieg: Ich komme nach Hause. Vieles kam mir in Kenia und in seinem Dorf immer wieder vertraut, bekannt vor.

Wurde diese erotische Ausstrahlung Ihres Mannes in der Sexualität eingelöst?Ihrer Beschreibung nach war dieser Bereich nicht so wichtig?

Ja, mein Mann hat zum Beispiel nicht geküßt. Massai küssen nicht. Da muß man sich schon sehr umstellen. Berührungspunkte gibt es auch nicht. Also Gesicht oder Geschlechtsteile werden nicht berrührt. Es ist einfach – schlußendlich – nicht so spielerisch. Der Sex ist eben nicht so vordergründig wie bei uns in Beziehungen. Sex dient der Fortpflanzung.

Wie kamen Sie mit Ihrer Rolle als Frau klar?

Massai-Frauen haben ihre Rechte im Haus. Das Haus gehört der Frau. Sonst leben Mann und Frau relativ getrennt. Man ißt getrennt, man fragt den Mann nicht, wo er hingeht. Wenn er weggeht, geht er weg. Aber mein Mann hat bestimmte Sachen übernommen, die Männer sonst nicht tun.

Was zum Beispiel?

Wenn ich krank war, hat er meine Klamotten gewaschen. Oder er hat Wasser geholt, auch eine typische Frauenarbeit. Er hat eigentlich sehr viel für mich gemacht. Ohne diese Beweise, diese Zugeständnisse hätte ich mich nicht orientieren können, wie er zu mir steht. Das war mehr wert als ein „Ich liebe dich“.

Sind die Massai-Krieger nicht sehr bequem und Frauen gegenüber nicht sonderlich empfindsam?

Er war schon anders. Er hat sich abgehoben, nicht nur im Äußerlichen, auch im Charakter. Er war sehr sensibel. Er war einfach anders. Ein Halbgott, als ich ihn kennenlernte. Er hat mich auch wirklich beschützt. Es ist der erste Mann in meinem Leben, der mir das Gefühl gab, daß ich getragen werde. Daß nicht immer ich die Stärkere war. Ich hatte nie Angst mit ihm zusammen. Egal, wo wir waren. Interview: Edith Kresta