Zensur im Schatten der Bomben

■ Nato verhindert Ausstrahlung serbischen Satellitenfernsehens, Belgrad verpaßt den unabhängigen Medien einen Maulkorb

Berlin (taz) – Die Medien in Jugoslawien werden zunehmend zensiert – von seiten der Nato-Staaten und Jugoslawiens Regierung. Am Mittwoch stellte der Satellitenbetreiber Eutelsat die Übertragung des staatlichen serbischen Fernsehens RTS ein. Zur Begründung hieß es, die Gesellschafterversammlung habe dies „auf Empfehlung der Vertragsparteien“ angeordnet. Auf Nachfrage der taz wurde jede weitere Begründung abgelehnt. Zu Eutelsat gehören 47 Staaten, vertreten durch Regierungen und Telekomgesellschaften.

Das Auswärtige Amt begründete die Entscheidung gegenüber der taz mit dem Ziel der „Verhinderung der serbischen Propaganda“. Zum Vorwurf der Zensur wollte ein Sprecher nicht Stellung nehmen. Die Nato hatte das RTS-Funkhaus in Belgrad bereits am 23. April bombardiert. Dabei starben nach serbischen Angaben zehn Mitarbeiter. Ursprünglich hatte sich Eutelsat geweigert, die Verbindung zu kappen, weil man nicht für den Sendeinhalt verantwortlich sei. Jetzt kann RTS in und außerhalb Jugoslawiens nicht mehr über Satellit empfangen werden. Das erschwert die Verbreitung von Bildern der Opfer von Nato-Angriffen.

Eutelsat-Sprecherin Vanessa O'Connor sagte der taz, gegenwärtig werde mit dem Sender Euronews verhandelt, um künftig ein „alternatives Programm“ auf serbisch zu verbreiten. Belgrad bezeichnete den Eutelsat-Beschluß als „kriminell“ und „Höhepunkt der Heuchelei“. Der Westen gebe damit die Pressefreiheit auf, für die er sich angeblich einsetze. Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ bezeichnete die Eutelsat-Entscheidung als „Angriff auf die Informationsfreiheit“, auch wenn RTS Propaganda sende.

Jugoslawiens Regierung verübt ihrerseits strikte Zensur. Seit Beginn der Nato-Angriffe seien 50 unabhängige Medien von den Behörden geschlossen worden, heißt es in einem Bericht von „Reporter ohne Grenzen“. Im Kosovo sei die albanischsprachige Presse völlig zerschlagen worden, die meisten Journalisten geflohen. In Montenegro stünden die Medien im Zentrum des Machtkampfes zwischen den Regierungen in Belgrad und Podgorica.

Jugoslawiens Regierung habe bereits seit den ersten Nato-Drohungen im Oktober alle Möglichkeiten genutzt, um unabhängige Medien auszuschalten: „Die äußere Bedrohung wurde systematisch dazu benutzt, um die störenden Stimmen im Land zu knebeln.“ Auch werde Gewalt angewendet. Am 11. April wurde der Chefredakteur der unabhängigen Tageszeitung Dnevni Telegraf in Belgrad erschossen. Seit dem 23. April sitzt der serbische Fernsehjournalist Nebosja Ristic, der Pressefreiheit forderte, in Haft. Im Kosovo seien schon in der ersten Nacht der Luftangriffe die Medien Ziel serbischer Gewalt geworden. Ein Anwalt, seine zwei Söhne und ein Wärter der Tageszeitung Koha Ditore seien getötet worden. 80 ausländische Journalisten in Jugoslawien seien verhört und meist des Landes verwiesen worden. Der kroatische Journalist Antun Masle sitzt unter Spionagevorwurf in Haft. Sven Hansen