„Otto Schily muß zurücktreten“

■ Dem Mitglied des Bundestags-Innenausschusses, Petra Pau (PDS), reicht es nicht, daß Innenminister Schily Gewalt-Abschiebungen aussetzt

taz: Zum vierten Mal innerhalb der vergangenen sechs Jahre ist in Deutschland ein Asylbewerber bei der Abschiebung im Flugzeug umgekommen. Welche Verantwortung trägt Innenminister Otto Schily?

Petra Pau: Innenminister Schily bewegt sich auf Kanthers schwarzen Spuren. Er hätte nach seinem Amtsantritt sofort andere Regeln für den Vollzug von Abschiebungen schaffen müssen.

Ich erwarte, daß er jetzt persönliche Konsequenzen zieht und zurücktritt. Es gab ja mal eine Zeit, zu der sich Otto Schily für die Bürgerrechte eingesetzt hat. Inzwischen ist es wohl so, daß für ihn die Menschenrechte teilbar sind. Hier geht es doch nicht um verschiedene Rechte für Ausländer oder Inländer. Natürlich ist es vernünftig, daß er die Entscheidung getroffen hat, Abschiebungen per Flugzeug vorübergehend auszusetzen. Aber das reicht nicht.

Was werfen Sie der Bundesregierung vor?

Es ist ja schon lange bekannt, wie bei uns Abschiebungen vollzogen werden. Warum ist der Innenminister so lange untätig geblieben? Auch der Außenminister muß endlich tätig werden. Inzwischen hat das Außenministerium eingestanden, daß Lageberichte über die Situation in anderen Ländern so geschönt wurden, daß die Bundesrepublik möglichst wenige Flüchtlinge aufnehmen muß. Das muß ganz schnell geprüft werden.

Was muß sich an der Abschiebepraxis konkret verändern?

Es muß ein generelles Verbot der sogenannten „Ruhigstellung“ geben. Fesseln, Knebeln, den Kopf herunterdrücken – das birgt nicht nur Gefahren für Leib und Leben. Es ist auch zutiefst demütigend. Es geht hier doch um Menschen, die Schutz vor Verfolgung gesucht haben. Es ist tragisch genug, wenn Asylanträge abgelehnt werden. In diesen Fällen muß man zumindest eine menschenwürdige Ausreise ermöglichen.

Das Argument des Bundesgrenzschutzes lautet, die Beamten müssen sich vor Angriffen derer, die abgeschoben werden sollen, schützen ...

Wir sollten uns klarmachen, daß es hier um Menschen geht, die in einer verzweifelten Situation sind. Ich habe Verständnis für die Reaktion eines abgelehnten Asylbewerbers, der im Flugzeug sitzt und weiß, bald wird er den Bedingungen, vor denen er geflohen ist, wieder ausgeliefert sein. Auch das Flughafenverfahren und die meist folgende Abschiebehaft tragen dazu bei, daß diese Menschen in einer psychischen Ausnahmesituation sind. Ich habe mir die Unterbringung auf den Flughäfen angesehen. Die Asylbewerber leben tagelang, manchmal sogar wochenlang wie im Gefängnis.

Welche Konsequenzen sollte die Politik aus dem Fall ziehen?

Wir fordern eine menschenwürdige Unterbringung von Asylbewerbern außerhalb von Flughäfen, transparente und schnelle Entscheidung der Anträge und eine Überprüfung der Abschiebepaxis. Ich kritisiere die Einschränkungen des Asylrechts natürlich grundsätzlich. Die Bewerber werden von vorneherein kriminalisiert. Die Beweislast, daß sie an Leib und Leben bedroht sind, liegt bei ihnen ganz allein. Interview: Tina Stadlmayer