Europäer bevorzugt

Auf die Herkunft kommt es an. EU-Staatler werden hofiert, Drittwelt-Studenten schikaniert    ■ Von Sebastian Sedlmayr

Köln (taz) – Im Ausländerreferat der Bonner Uni, im hintersten Eck der Studentenvertretung (Asta), herrscht reger Betrieb. Täglich kommen vier bis fünf Studierende aus den verschiedensten Teilen der Erde, um sich Rat zu holen. An einem kleinen Holzschreibtisch sitzt Ali und telefoniert. Er arbeitet schon seit ein paar Jahren im Referat. Seine Mutter ist Irakerin, er selbst fühlt sich eher als Deutscher. „Nein, da müssen Sie erst mal eine Arbeitserlaubnis beantragen“, wiederholt Ali, was Weisung deutscher Ministerien ist.

Der 32jährige ist einer von 3.900 „ausländischen“ Studierenden an der Bonner Uni, einer von 158.000 Menschen derselben bürokratischen Kategorie bundesweit. „Die Statistik ist verzerrt, denn der Großteil der Ausländer sind die sogenannten Bildungsinländer“, sagt Ali. Er meint die Statistik, die das Bildungsministerium letzte Woche herausgegeben hat – um auf deren Grundlage den Wissenschaftsstandort Deutschland zu verbessern. Doch da wird kräftig an der Wirklichkeit vorbeigerechnet. Als Bildungsinländer wird bezeichnet, wer in Deutschland zur Schule oder zur Uni gegangen ist – aber keinen deutschen Paß besitzt. Nach dem neuen Staatsbürgerschaftsrecht werden die Zahlen nichts mehr aussagen (siehe Kasten). Seit 1996, so liest man, sei die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unis Chefsache. „Das Studium in Deutschland sollte insbesondere für Studierende aus den außer-europäischen Industrieländern und den Schwellenländern attraktiv gemacht werden.“ Der Weg dahin ist noch weit.

Mahmoud aus Marokko zum Beispiel zögert, als ihn Ali nach seiner Anfangszeit in Deutschland fragt: „Da habe ich heute abend wieder Alpträume.“ Dann rückt er doch heraus. Sie waren drei Marokkaner an der Fachhochschule Kempten. Einem seiner Bekannten hätten die bayerischen Behörden mitten in der Diplomarbeit die Abschiebung angedroht. Zeit überschritten. „Jobben kannst du vergessen“, ergänzt Mahmoud. Als Schwarzer und Afrikaner versauere man auf der Warteliste. „Ich bin froh, in Bonn zu sein.“

Dabei sind die Arbeitsbedingungen für Ausländer auch in Nordrhein-Westfalen alles andere als optimal. Das Arbeitsministerium hat eine Liste mit 55 Berufen herausgegeben – von Gartenarbeiter bis Pförtner –, für die keine Arbeitserlaubnis mehr erteilt wird. Arbeit zuerst für Deutsche. Auch unter rotgrüner Regierung nicht nur ein DVU-Slogan. Wer keinen EU-Paß besitzt, hat gute Chancen – bei der Jobvergabe leer auszugehen. Ali erzählt, daß zum Ende der Semsterferien die Nachfrage nach Darlehen im Ausländerreferat sprunghaft ansteigt, weil in der vorlesungsfreien Zeit keine Arbeit zu bekommen war. Denn die wird auch bei der Studentenjobvermittlung nach diesem Motto verteilt: „Zuerst Deutschland, dann Europa und dann die ganze Welt“.

Hanne aus Dänemark wandert selbstsicher über die Uni-Wiesen. Sie kann die deutschen Behörden verstehen. „Man muß aufpassen, daß nicht die ganze Welt sich einen Studentenstatus besorgt und dann hier arbeitet“, sagt die blonde Studentin der Germanistik. 1997 war sie mit einem Austauschprogramm hierhergekommen. Mittlerweile besucht sie nach Bamberg und Siegen die dritte Uni.

Die Schwierigkeiten Mahmouds kennt Hanne nicht. Auch ein wiederholter Fächerwechsel wäre für die EU-Bürgerin kein Problem. Mahmoud hat schon Probleme mit der Aufenthaltserlaubnis bekommen, als er – rechtmäßig – nach dem zweiten Semester das Fach wechselte. In Kempten konnte ihm zudem kein Ausländerreferat helfen – in Bayern gibt es keine verfaßte Studentenschaft. Alis große Sorge ist, daß der linke Asta in Bonn abgewählt wird. „Wenn die Rechten drankommen, müssen wir den Laden hier dichtmachen.“

Für Hanne spielen die demokratischen Studierendenvertretungen keine große Rolle: „In Bamberg, in meinem Erasmus-Programm, war alles so gut organisiert, daß ich von der normalen Uni kaum was mitbekommen habe. Das war eher Urlaub. Und in Siegen, mit dem Stipendium des Akademischen Auslandsdienstes, sind wir sogar umsonst nach Berlin gefahren.“ Im Ausländerreferat der Bonner Uni war Hanne noch nie. Sie hat nur mit Deutschen zu tun. Integration geglückt.

Gerade das Informationsdefizit im Ausland macht es denen so schwer, die ohne ein Stipendium nach Deutschland kommen. Die Unwissenheit treibt manchmal groteske Blüten: „Es ist schon vorgekommen, daß sich Leute bei uns im Ausländerreferat einschreiben wollten“, schmunzelt Ali. Und wird sofort wieder ernst. „Der Behördendschungel kostet Zeit.“ Problematisch wird es vor allem dann, wenn der Schulabschluß dem Abitur nicht gleichzusetzen ist. „Dann müssen die Leute zuerst ohne Studentenstatus einen Sprachkurs machen“, erklärt Ali, „und haben oft schon die ersten Probleme mit dem Visum.“ Daß es ein Studienzulassungsvisum für drei Monate gibt, wissen die wenigsten. Außerdem sind die Sprachkurse an den Unis überfüllt, die privaten kosteten bis zu 600 Mark – für viele ein schwer überwindbares Hindernis. Doch selbst wenn die ersten Hürden genommen sind: Für Nicht-EU-Staatler stehen viele Schikanen bereit.

Jobben ist nur für 90 Tage im Jahr erlaubt – nur während der Semsterferien. Für eine Arbeitserlaubnis braucht man die Bestätigung des Professors, daß das Studium nicht beeinträchtigt wird. Die Bewilligung dauert bis zu sechs Wochen. Sie gilt nur für eine bestimmte Stelle bei einem bestimmten Arbeitgeber. „Viele Unternehmer würden sogar gerne einstellen, aber sie können keine sechs Wochen warten“, sagt Ali.

„Die finanzielle Lage“ der ausländischen Studierenden sei das Hauptproblem, konstatiert das Bildungsministerium. Fast die Hälfte der Studierenden ohne EU-Paß bestreiten ihren Unterhalt selbst. Daß dabei viel Zeit draufgeht, wissen auch die Ministerialen. Noch vor der Sommerpause soll über Verbesserungen für ausländische Studierende verhandelt werden. Zur Debatte steht vor allem die Aufstockung von Stipendien. Für die knappe Hälfte, die ihr Studium selbst finanziert, wird sich damit nichts verbessern.