Melodie für Neuronen

■ Was Musik alles in unseren Hirnlappen auslöst: Bruno Molls Film „Brain Concert“

„Das Gehirn ist selber ein Arschloch“, schrieb der Berliner Schriftsteller Husen Ciawi vor ein paar Jahren einmal, und Wittgenstein, dessen Splatterqualitäten oft unterschätzt werden, überlegte sich in seinem „Blauen Buch“ probehalber, ob es für die Philosophie was brächte, wenn man den Kopf aufschneiden würde, um das Gehirn beim Denken zu beobachten.

Der sympathische Philosoph verneinte dies. Die moderne Wissenschaft hingegen dringt immer tiefer in den neuralen Dschungel des Gehirns ein, um zu gucken, was da so los ist, wenn man denkt, daß man fühlt, oder fühlt, daß man denkt.

Anders als Wittgenstein interessiert sich Bruno Moll in seinem spielfilmlangem Feature „Brain Concert“ dafür, was in unserem Kopf passiert, wenn wir Musik wahrnehmen, was in unserem Gehirn für die Musikaufnahme zuständig ist, wieso uns Musik in bestimmte emotionale Zustände versetzen kann und woher die Fähigkeit kommt, Musik zu machen. Zu Wort kommen: Philosophinnen, Neuroanatomen, Musiker usw. Das „Lied“ einer mongolischen Sängerin klingt zugleich seltsam-esoterisch und auch so, als würden Hirnlappen sanft an einer Schädeldecke aus feinem Sandpapier reiben. Das denkt man vielleicht aber auch nur, weil man zuvor die sehr, sehr gruseligen Bilder einer Hirnoperation gesehen hat.

Eine seltsam einfache Repräsentationstheorie unterstützt ein Wissenschaftler, der erklärt, daß bestimmte Melodien bestimmte Anordnungen der Neuronen zur Folge haben. Die großen Gefühle wie Trauer, Liebe, Glück oder Angst fühle man eher selten, erklärt ein Neuropsychologe. Die gesamte Wahrnehmung sei statt dessen von unspektakuläreren „Hintergrundgefühlen“ begleitet, unter deren Störung das Denkvermögen leidet. Im Gehirn sind Fühlen und Denken nicht getrennt. So fühlt man wie Musil, daß man denkt, und denkt mit dem Gefühl, und ohne das der Musik zugeordnete Gefühl kann man keinerlei Entscheidungen mehr treffen. Der kalte Denker ist ein Hirngespinst – Wissenschaft ist romantisch. Detlef Kuhlbrodt

18.45 Uhr, 20.30 Uhr, Eiszeit, Zeughofstr. 5, Kreuzberg