Sexuelles Gefahrengut außer Kontrolle

■ Wieder scheitert ein Hamburger Regiestudent: mit „Die Ohren des König Midas“

Es war einmal ein König, der hieß Midas, der war stolz und dumm – eine gelegentlich tödliche Kombination. Zumindest, wenn man sich echten Göttern zum Richter anbietet. Apoll, die Lichtgestalt, und Pan, der Säufer, machen nämlich hobbymäßig so ein bißchen Sphärenmusik und wollen jetzt wissen, wer besser ist. Midas sagt „Pan“, und Apoll sagt „gut, dann gibt's jetzt Eselsohren“. Und ist mächtig sauer.

Güngör Dilmen machte da ein Theaterstück draus. Telet Yurtsever setzte es mit ein bißchen Multikulti in Szene: Junge Leute aus verschiedenen Kulturen und Ethno-Pop. Der wird live gespielt, wegen des tollen Eindrucks. Und weil Cats von den Menschen so lieb gewonnen wurde und das Märchen von dem armen stolzen König ja auch so lieb ist, darf man auch einfach das Bewegungsrepertoire des Musicals klauen und auf fünf Halbnackerte übertragen, die Dionysos-Dienerinnen spielen sollen mit der Auflage, sich immer möglichst weit in die knappen Ausschnitte gucken zu lassen.

Das alte Griechenland war nämlich sinnenfroh und das muß man im menschlich so kalten Deutschland als fremde Erinnerung ja irgendwie wach halten. Deswegen wird auch an allen Ecken und Enden von den 25 Darstellern Liebe und Erotik vorgemacht und Schlüpfriges gesagt. Der Mann ist ein richtiger Mann, ein sexuelles Gefahrengut, die Frau eine richtige Frau, ein begieriger Hafen der Lust.

Tolle rote Abend-Kostüme und nackte Oberkörper mit Glitzerpuder schlagen das Publikum mit Original-Antikengefühl in den Zauberbann. Daß die Mondgöttin, die auch mitspielt, eine rauchende Schwangere sei, ist nun wirklich ein großer Einfall, eines echten Volksschwankes würdig.

Krachledernd, bunt, platt und laut – Regisseur Yurtsever zeigt mit großem Talent fürs Billige, wie er sich eine Kreuzung aus türkischer Hochzeit und Ohnsorg-Theater vorstellt. Die „zeitgenössische Antikenshow“, so der Untertitel dieser Veranstaltung des Festivals Junge Hunde im TiK, sollte unbedingt beim nächsten Talentwettbewerb der Stella-Musical-GmbH vorgezeigt werden dürfen.

Mit einem Theater, das auch nachdenkt, bevor es spielt, hat das leider nichts zu tun.

Kees Wartburg