„Weil i hart bin auf di“

■ Ernst Mosch ist tot, und die Tradition gerät aus den Fugen: In den Weserterrassen jodelte und jazzte die Kerber Brothers Alpenfusion die Volksmusik in Grund und Boden

Ho-le-ra-du-dödel-di: schon hat man Loriots legendäres Jodeldiplom – für später, wenn die Kinder aus dem Haus sind – in der Tasche. Kommt ein Alphorn hinzu und macht prööt prööt prööt, winken RTL und Hör Zu schon mit der Auszeichnung, die kein vernünftiger Mensch erringen will, und verleihen einem den „Deutschen Hausmusikerpreis“. Und wenn man dann zum bedeutenden Folkfestival nach Rudolstadt fährt und dort jodelt, prööt prööt prööt macht und zugleich auf der Zither schrägen Jazz intoniert, kommt ein begeistertes Jurymitglied um die Ecke, ruft freudig erregt „daß diese Jodel-Kacke so einen Spaß machen kann“ und fügt zu Jodeldiplom und Hausmusikerpreis noch den Titel „Gewinner des Deutschen Folk-Förderpreises 1998“ hinzu.

Das klingt einigermaßen verwirrend, zeichnet aber den in der Tat bizarren Werdegang des Quintetts Kerber Brothers Alpenfusion ziemlich genau nach. Seit zwei Jahren wächst bei diesen Bayern der etwas anderen Art zusammen, was nicht zusammen gehört: Alphörner treffen auf Drums, Jodler auf Saxophone, Hackbrett und Zither auf Gitarre und Kontrabass.

Zu diesem schon optisch beeindruckenden Instrumentenpark gesellen sich auch musikalisch eigenwillige Kombinationen. Da entfleuchen, wie jüngst bei ihrem Auftritt im Bürgerhaus Weserterrassen zu bestaunen, den Kehlen der drei Kerber-Brüder Andreas, Markus und Martin glucksende Jodler. Und noch ehe man zuende gedacht, ob man sie dafür nicht sofort an die Seite des unlängst verstorbenen Ernst „Gott hab' ihn selig“ Mosch wünschen soll, drischt Pit Gogl am Schagzeug jeden Anflug von Lederhosenbierseeligkeit hinfort, was den Kontrabassisten Tiny Schlauch und die Jodelgang sofort dazu animiert, auf Waldhorn, Zither und Saxophon eine kleine wüste Jazzeinlage anzuschließen. Und kaum daß man sich wieder in sicheren musikalischen Gefilden wähnt, legen die Herren die Instrumente schon wieder beiseite und singen voller Unschuld grausame bayerische Volksmusikweisen über die Liebe (“Weil i hart bin auf di“) und über Sepp und dessen Weib, die sich minutenlang gegenseitig fragen, ob es gleich wohl zu regnen beginnt.

In Bayern, erzählte Martin Kerber dem spärlich erschienenen Publikum im Bürgerhaus, findet man diesen Umgang mit der Tradition zumeist gar nicht so lustig, so daß das Quintett mit seinem alpinen und transglobalen Ethnojazz eher Iglu- als Bierzelte zu füllen vermag. Aber die Herren haben gelernt, flexibel zu sein. Insofern sie der Stammbaum als Abkömmlinge traditionsbewußter freistaatlicher Volksmusikerfamilien ausweist, dudeln sie gekonnt und von Herzen alpenländische Volksmusik, wie sie uns Karl Moik in seiner Horror-TV-Show permanent präsentiert. Und abends dann arbeiten sie an ihrem Fusionsprojekt und spielen Jazz im Stile der 70er, Rock, Blues und Volksmusik so durcheinander, wie es nur geht.

Die Verschmelzung der Stile liegt ihnen dabei völlig fern: Welten treffen schroff aufeinander, so daß die Stücke der Band so klingen, als zappte ein unentschlossener Radiohörer permanent zwischen dem Volksmusik- und Jazzsender hin und her. Daß die Ausflüge in die musikalischen Gefilde jenseits der Volksmusik zwar technisch solide, aber weder besonders originell noch wahnsinnig spannend sind, verzeiht man den symphatischen Allgäuern gern. Ist eh eher lustig als innovativ, was das Quintett zu bieten hat.

Kurzum: Nicht nur die Römer, auch die Bayern spinnen. Andererseits: Als der legendäre Wahlbayer Ernst Mosch starb, stand auch über ihn zu lesen, er habe tagsüber seine Egerländer Oberkrainer zu blasmusikalischen Verbrechen angestiftet und abends dann Duke Ellington auf den heimischen Plattenteller gelegt. Den ganzen Tag Volksmusik erträgt man halt nicht. Insofern spielen die Kerber Brothers Alpenfusion schon heute, was morgen in ganz Bayern die Regel sein wird.

zott