Das Portrait
: Herrn Schorres Dreier-Strategie

■ Winfried Schorre

In zwei Wochen feiert Winfried Schorre Geburtstag, seinen 58. Möge es ein fröhliches Fest werden. Schorre hat in diesen Tagen nämlich wenig Anlaß zur Freude. Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) steckt im selbsterklärten Krieg mit Gesundheitsministerin Andrea Fischer. Kommt die Gesundheitsreform durch, gehen Schorre und seine KBV ihrer Macht verlustig.

Die Reform stärkt die Krankenkassen. Sie verhandeln künftig direkt mit einzelnen Ärzten, Arztgruppen und Kliniken – und schließen mit ihnen Verträge ab. Die Kassenärztliche Vereinigung wäre ihre Aufgabe los. Der Verlierer hieße Winfried Schorre.

Dabei ging es für den Psychiater und Neurologen lange Zeit nur aufwärts. Nach Promotion und Approbation läßt sich Schorre 1979 als Arzt in Köln nieder. Seine eigentliche Karriere macht er sechs Jahre später als Funktionär der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein. 1993 wird er ihr Vorsitzender – und im gleichen Jahr Chef der Bundesvereinigung.

Interessant zu beobachten ist, wie Schorre den drohenden Machtverlust abzuwenden sucht: Dabei fährt er gleich drei Stategien. Nummer eins: der stete Aufruf zum Widerstand. Seit Monaten kündigt Schorre den Aufstand der Ärzteschaft an. Doch die Front bröckelt. Haus- und Kinderärzte etwa tragen seinen Protest nicht mit – sie sehen sich durch die Reform gestärkt. Dagegen hat sich Schorres zweite Strategie schon bewährt: Der Psychiater malt düstere Bilder: Die Ärzte – „unter das Joch der Krankenkassen“ gezwungen. Die Patienten – miserabel versorgt.

Unter dem Motto: „Die heile Welt der Mediziner – bald nur noch im Fernsehen?“ startete er eine Millionen Mark teure Anzeigenkampagne. Bild druckt die Horrorbotschaften täglich. ARD und ZDF weigerten sich, die Spots zu senden.

Strategie Nummer drei hält der KBV-Vorsitzende geheim. Auf Anfrage der taz nach seinem weiteren Vorgehen verweist Schorre auf die Rote Armee. Schließlich hätte auch die Rote Armee den Deutschen seinerzeit ihre Pläne nicht preisgegeben.

Winfried Schorre nennt sich selbst gern einen „ausgeglichenen Menschen“. Im Ton gegenüber Gesundheitsministerin Fischer wird er immer rüder. Kürzlich warf er ihr vor, den Tod mehrerer tausend Patienten in Kauf zu nehmen. Kümmern wird es den Psychiater ihn wenig. Feinheiten zu übergehen gehört in diesen Tagen zu seinem Job. Yvonne Wieden