Der Gipfel der Reinlichkeit

■ Beim Doppelgipfel in Köln finden die Staatschefs eine blitzblanke Stadt vor. Viel Bürgernähe kann dabei allerdings nicht aufkommen

Köln (taz) – Eine Stadt macht den Weg frei: Auf dem Kölner Doppelgipfel sind 12.000 Polizisten im Einsatz, ausgerüstet mit nagelneuen Computern, Handies, Navigationssystemen und vielen Kilometern frischverlegter Glasfaserkabel. Eine Million Mark hat das Bundesinnenministerium „unbürokratisch“ dafür zur Verfügung gestellt, die Stadt Köln mußte keine müde Mark dazusteuern.

Für Polizeipräsident Jürgen Roters ist das „wie Weihnachten im Mai“. Und seine Polizei zeigt sich erkenntlich: Die Altstadt rund um die Austragungsorte ist in zwei Sicherheitszonen eingeteilt. In die „rote Zone“ kommen nur Gipfelteilnehmer und akkreditierte Personen. In die „blaue Zone“ wird außer Anwohnern nur der eingelassen, der „nicht verdächtig aussieht oder sich so verhält“.

Viel Bürgernähe wird da nicht aufkommen: Was die Herren zum Stolpern bringen oder als Bombenversteck dienen könnte, wird weggeräumt. Die Baustellen in der Innenstadt sind geschlossen, der Rohbau des neuen Wallraf-Richartz-Museums gegenüber dem Kölner Rathaus ist sogar in Christo-Manier mit bedruckten Folien verhängt. Köln hat sich herausgeputzt, als wolle es am Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ teilnehmen. 1,2 Millionen Mark kostet allein die Blumenpracht, Bänke und Laternen sind frisch gestrichen, und die „Kasa“, die Kölner Antispray-Aktion, erlebt einen Gipfelboom. „In diesen Tagen erklimmt Mutter Colonia den Reinlichkeitsgipfel“, unkt selbst der Kölner Stadtanzeiger.

Stilecht hausen die Gipfelstürmer auch bei ihren Tagungen: Der EU-Gipfel tagt im Museum Ludwig. Die Popart an den Wänden soll wohl die Popularität der Veranstaltung heben. Das G 8-Treffen findet im Kölner Stadthaus „Gürzenich“ statt, das der Fernsehnation hauptsächlich als Kampfarena des kölschen Karnevals bekannt ist. Im Römisch-Germanischen Museum, soll der kulinarische Gipfel erreicht werden: Die G 8-Staatsmänner werden am 18. Juni auf dem 70 qm großen Dionysosmosaik tafeln, dem Prunkstück der Ausstellung. Für den Fall, daß bei dieser Prunksitzung jemand klekkert, wird das Schmuckstück aus dem 3. Jahrhundert mit einer Acrylplatte ausgelegt.

Überhaupt: die Etikette! Die etwa 5.000 akkreditierten Medienvertreter erhalten als Handreichung neben einem Dom-Anstekker und einem Köln-Fotoband auch einen „Köln-Knigge“ im Hemdtaschenformat mit Ratschlägen wie: „Halten Sie Ihre Hände beim Essen auf dem Tisch“ oder „Titel wie Doktor oder Professor sollen Sie so oft wie möglich benutzen“. Untergebracht ist der Pressetroß im für drei Millionen Mark eigens errichteten „Millenium Dom“, einem vollklimatisierten doppelstöckigen Zelt mit 50 Metern Durchmesser. Es wird der einzige Dom sein, den die Besucher von innen sehen. Denn das Metropolitan-Kapitel hat den echten „aus Sicherheitsgründen“ für zwei Wochen praktisch komplett dicht gemacht. Für das leibliche Wohl der Journalisten sorgen 30 Altstadtwirte, die Gipfelmenüs und Gipfelweine anbieten und dafür pro Mahlzeit 47 Mark berechnen dürfen. Das Auswärtige Amt zahlt die Zeche.

Sind die Staatsgäste wieder abgereist, geht in Köln buchstäblich das Licht aus. Die Illumination historischer Bauten und Denkmäler wird am 15. Juli wieder abgeschaltet. Für die „ganzjährige Anstrahlung“ fehlt der Stadt das Geld. Micha H. Haarkötter