Steuermilliarden für Umweltzerstörung

Umweltschützer kritisieren die Regionalhilfe der EU: Zu viele Betonpisten, zuwenig nachhaltige Entwicklung. Mitspracherechte für unabhängige Gruppen stehen nur auf dem Papier    ■ Aus Köln Maike Rademaker

Eine Autobahn durch ein Trinkwasserreservoir in Polen, Umlenkung von Flußwasser durch einen Tunnel in Griechenland, ein Frachtflughafen in Deutschland, der wahrscheinlich nie ausgelastet wird, fehlende ökonomische Analysen, mangelnde Einbeziehung der Umweltorganisationen: mit den Steuergeldern der EU-BürgerInnen werden auch Projekte finanziert, die dem erklärten Ziel einer ökologisch nachhaltigen Entwicklung nicht entsprechen.

Diese Kritik hat der Umweltschutzverband BUND mit seiner Studie „Milliarden für Nachhaltigkeit? EU-Regionalpolitik und Erweiterung“ erhoben. Das Papier wurde auf einer Konferenz vorgestellt, die der BUND seit gestern parallel zum G7-Gipfel mit 15 europäischen Umweltverbänden abhält. Die Verbände wollen über die Verwendung der Mittel aufklären und gleichzeitig den EU-Ministerrat aufforden, das Geld sinnvoller, umweltverträglicher einzusetzen.

Jedes Jahr vergibt die EU über ihre Regionalfonds 33 Milliarden Euro für Projekte in Europa, insgesamt sind 235 Milliarden Euro für die Periode 2000 bis 2006 eingeplant. Gefördert werden sollen mit Struktur-, Kohäsions- und Prä-Erweiterungs-Fonds Regionen, die ökonomisch benachteiligt sind, eine hohe Arbeitslosigkeit aufweisen – wie Ostdeutschland –, oder Projekte in Ländern, die einen Antrag auf EU-Mitgliedschaft gestellt haben. „In jeder Buchhandlung biegen sich die Regale unter Dritte-Welt-Literatur, in denen steht, was mit Entwicklungshilfe gemacht wird und wie schädlich sie ist. Ein Buch über die Verwendung der EU-Strukturfonds finden Sie aber nirgendwo,“ sagte Kevin Dunion, Vorsitzender der „Freunde der Erde“.

Diesen Mangel an Informationen will die BUND-Studie beheben. Denn unter den untersuchten Projekten der vergangenen Finanzperiode sind zwar nach Meinung des BUND auch welche, die dem im Amsterdamer Vertrag mehrfach festgeschriebenen Ziel der nachhaltigen Entwicklung entsprechen, die meisten Mittel gingen aber weiterhin in ökologisch und sozial nicht nachhaltige Projekte. Dazu gehöre beispielsweise der Ausbau des transeuropäischen Straßennetzes. „Es liegt an den Staats- und Regierungschefs, ob damit weiterhin sinnlose Betonpisten quer durch Europa gebaut werden oder ob nachhaltige Beschäftigungspolitik finanziert wird“, sagt Heidrun Heidecke vom BUND-Vorstand.

Für Deutschland führt die Studie, die für 15 Länder jeweils ein Positiv- und ein Negativbeispiel nennt, das Ökodorf Bobbe in Sachsen-Anhalt und den Frachtflughafen Cochstedt mit Industriepark in der Magdeburger Börde auf. Für den Aufbau des Ökohofes Bobbe mit Gästehaus, Bildungszentrum, Farmverkauf und Museum erhielt die „Werkstatt für Bildung und Begegnung Sachsen Anhalt e. V.“ zwischen 1995 und 1998 aus den EU-Fonds 263.000 Euro. Mittlerweile beginnt das Projekt sich selber zu finanzieren, es wurden 25 Vollzeitstellen und rund 100 Teilzeitstellen geschaffen.

Im Negativbeispiel will die EU mit 42,44 Millionen Euro die Umwandlung eine ehemaligen Sowjetbasis in einen Frachtflughafen mit angeschlossenen Industriepark finanzieren. Nach Meinung des BUND sind die Pläne zur Schaffung von 700-2.000 Arbeitsplätzen unrealistisch. Die Anwohner müßten mit einer erheblichen Lärmbelastung und Luftverschmutzung rechnen, da eine Bahnanbindung fehle und Transporte über die Straße gingen. Das Beispiel des Ökodorfes zeige, so Heidecke, wie mit vergleichsweise wenig Mitteln Arbeitsplätze geschaffen werden können.

Kritisch sehen die Umweltschützer auch die fehlende Beteiligung von regierungsunabhängigen Organisationen an Auswahl und Beurteilung der Projekte. Eine solche Mitsprache ist zwar in den EU-Regularien generell vorgesehen, in der Praxis aber kaum vorhanden. Relevante Dokumente würden gar nicht oder zu spät zugestellt, Gruppen nicht informiert, in den Fonds sei eine Beteiligung gar nicht erst vorgesehen, klagten die Umweltschützer. In der Bundesrepublik, so die Studie, würde zwar hoher Wert auf die Präsenz der Gruppen gelegt, ihre Anliegen aber nicht ernst genommen: Beteiligung stehe nur auf dem Papier.

Die Umweltschützer wollen nun ihre Mitarbeiter für Gespräche mit den Entscheidungsgremien extra schulen. BUND-Sprecher Marc Engelhard kann sich auch vorstellen, daß die unabhängigen Organisationen von der EU finanziert werden. Mit Kritik hat die EU-Verwaltung schließlich wenig Probleme, solange sie nicht weh tut: Sie hat die BUND-Studie mit finanziert.