piwik no script img

Bücher voller HeldInnen

Vier Hamburger Verlage haben sich auf schwule und/oder lesbische Bücher verlegt, die auch Heteras und -os lesen sollten  ■ Von Daniel Plettenberg

Vier Hamburger Verlage widmen sich mit sehr unterschiedlichen Ansätzen der schwulesbischen Community-Literatur.

Zum Beispiel der Rotbuchverlag. Der aus einem ehemaligen Studentenkollektiv entstandene Verlag in der Parkallee hat zwar hat keine besondere lesbisch-schwule Verlagspolitik, arbeitet aber gerne mit der Community zusammen. „Mein Schwerpunkt sind die ,hard-boiled' Krimis, in denen die Ermittlungen von gebrochenen Charakteren geführt werden“, sagt Krimi-Chefin Gabi Dietze. Als schwules Aushängeschild werden seit geraumer Zeit sehr erfolgreich die Krimis von Grant Michaels und Tony Fennelly herausgegeben. Grant Michaels ist schwuler Autor in San Francisco, Tony Fennelly eine Hetera aus New Orleans, die aus ihren zahllosen Bekanntschaften zu Schwulen die Inspiration für ihren Protagonisten, den schwulen Antiquitätenhändler Matty Sinclair, zieht. In einer zweiten Reihe widmet sie sich der Hetera-Heldin Margo Fortier, die mit einem schwulen Mann verheiratet ist und die so ein wundervolles Zickengespann abgeben. Als Neuentdeckung in der Rotbuch-Krimi-Reihe gilt die junge Frankfurter Philosophin Thea Dorn, die sich immer mal wieder dem lesbischen Krimi-Genre zuwendet.

Kriminalistisches Gespür bewies auch der Argumentverlag am Eppendorfer Weg. Vor genau 40 Jahren ist der kleine linke Verlag aus einem Flugblatt einer „Studentengruppe gegen Atomrüstung an der FU Berlin“ entstanden. Anfang der 80er Jahre wurde aus dem Schriftenverlag ein „richtiger“ Buchverlag, der seit 1988 die erste deutsche Frauenkrimireihe „Ariadne“ auf den Markt bringt. Unter den zwölf jährlichen Neuerscheinungen sind immer sechs lesbenspezifische Krimis zu finden. Seit ein paar Jahren gibt es auch schwule Krimis, der „Pink Plot“. Hier erscheinen die Romane von Michael Nava und weiteren schillernden Autoren wie Orlando Outland, der mit seinem fummeltragenden Detektiv das Genre des „Federboakrimis“ geschaffen hat.

Mitten auf St. Pauli residiert seit 1981 der schwule Buchladen Männerschwarm. 1992 haben die Buchhändler den Verlag MännerschwarmSkript gegründet, der sich sowohl Sachthemen als auch der Belletristik widmet. Ungefähr zehn Veröffentlichungen präsentiert der Verlag pro Jahr, die einer Mischkalkulation unterliegen: Da findet man den publikumsträchtigen Ralf König neben wissenschaftlicher Fachliteratur oder aus dem anglo-amerikanischen Raum stammende schwule Kultliteratur neben deutschen Talenten. Und auch in den Titeln zeigt sich die Vielfalt des Verlages, da gibt es den ersten deutschsprachigen schwulen Science-fiction-Roman, das Nachschlagewerk historisch interessanter Schwuler oder Coming-Out Romane.

Über fehlendes Talent in der schwulen Autorenszene kann sich der Verlag nicht beklagen, die Kapazitäten sind voll ausgelastet. Mit ihren Büchern wollen die Männerschwärmer neben guter Literatur immer auch schwules Leben und schwule Politik fördern. Und auf verschiedenste Weisen schaffen sie es auch: mit Anthologien zum schwulen Selbstverständnis oder mit den expliziten Comics von Ralf König. „Woanders werden schon im Lektorat die meisten schwulen Inhalte auf ein softes Niveau reduziert, bei uns kann Ralf zeichnen und sagen, was Sache ist“, so Lektor und „Mitchef“ Joachim Bartholomae. Nebenbei: Der Ralf König-Comic „Bullenklöten“ machte den Verlag erst finanziell möglich.

Sylvia Knelles empfängt lesewütige Frauen in ihrem kleinen „Lesben-Laden“ Mysterious Women in der Lindenallee. Hier gibt es alles, was frau so braucht: Belletristik und Sachbücher, Videos und CDs, SM-Toys und Erotika. Der Laden ist nur zwei Stunden am Tag geöffnet, damit Sylvia Knelles auch Zeit für ihren kleinen Verlag findet. Hier ediert sie ihre eigenen Werke, die in einigen Lesbenkreisen inzwischen Kultstatus erreicht haben. „Ich möchte nicht politisch korrekte Literatur schreiben, sondern lesenswerte“, sagt Sylvia Knelles, und so kombiniert sie erotische Themen mit sozialkritischen wie Arbeitslosigkeit, Mißbrauch oder Inzest. Inzwischen gibt es eine ganze Reihe kleiner Paperbacks, für die sie sogar die Cover selbst gestaltet. „Alles aus einer Hand“ – so geht die Kleinverlegerin auch kein Risiko ein. Weiterhin werden pro Jahr ca. zwei Bücher erscheinen, wobei sich Sylvia darauf nicht festlegen möchte. Sie braucht die Freiheit, dann zu schreiben, wann es ihr paßt ...

Den Lebenswelten von Lesben und Schwulen widmen sich nur die beiden kleinen Verlage intensiv. Die großen verkaufen hauptsächlich lesbisch-schwule Krimis, die offensichtlich guten Absatz auch jenseits der Szene finden. Aber auch dieser Zugang bietet spannende und gelungene Einblicke. Denn in den neuen Krimis sind Lesben und Schwule nicht mehr Opfer, sondern Helden.

Daniel Plettenberg, 30, schreibt für die schwulen Magazine „Hin-nerk“ und „Queer“ und rezensiert für das Internetmagazin „hamburg.gay-web.de“ Bücher. Als Didine van der Platenvlotbrug präsentiert er mit seiner Kollegin Blessless Mahoney Tuntenkabarett.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen