Unionsbürger wählen alle Grün

■ An der Farbe des Wahlzettels werdet Ihr sie erkennen: Erstmals dürfen EU-Angehörige in Bremen an der Gemeindewahl teilnehmen

Einmal werden wir noch wach, dann kommt der große Tag für uns Unionsbürger: Auch wir dürfen morgen die Bremische Bürgerschaft mitwählen. Eigentlich sind auch Sie ein Unionsbürger, aber in erster Linie sind sie natürlich deutscher Staatsbürger, während wir Italiener, Dänen oder Briten, kurzum Unionsbürger sind, und morgen also erstmals in Bremen zur Urne schreiten können. Ein Recht, das wir dem Maastrichter Vertrag verdanken. Dort wurde die Unionsbürgerschaft kreiert und festgelegt, daß jeder Unionsbürger an seinem Wohnort, egal in welchem der 15 EU-Staaten er wohnt, an den Gemeindewahlen teilnehmen kann.

In Bremen gab es schon einmal den Vorstoß, die hier lebenden Ausländer zumindest ein bißchen zu den Wahlen zuzulassen: 1989 verabschiedete die SPD gegen die Stimmen von CDU, Grünen und FDP einen Gesetzentwurf des SPD-Senats, der die Ausländer an den Wahlen zum Beirat zuließ – alle Ausländer, nicht nur die EU-Ausländer. Die CDU hat damals Verfassungsbeschwerde eingelegt und 1991 vom Staatsgerichthof Bremen Recht bekommen. Nur deutsche Staatsbürger, so das Gericht, sind von der Landesverfassung als Wähler vorgesehen. Nun also hat der Maastrichter Vertrag für die Unionsbürger und beschränkt auf die Gemeindewahlen eine neue rechtliche Situation geschaffen. Die Türken, die hier seit Jahrzehnten wohnen, bleiben bei dieser Regelung nach wie vor außen vor.

Der Maastrichter Vertrag ist seit 1993 in Kraft, die letzten Bremer Bürgerschaftswahlen waren 1995: eigentlich hätten wir also schon damals wählen dürfen müssen. Aber in Bremen ist die Lage kompliziert und die Juristen mußten ein bißchen länger über die Umsetzungsbestimmungen grübeln. Das Problem: Im Stadtstaat Bremen gibt es keine gesonderten Gemeindewahlen, sondern nur Gemeinde- und Landtagswahlen in einem. Die gewählten Abgeordneten sind folglich in Personalunion Gemeindeabgeordnete (Stadtbürgerschaft) und Landtagsabgeordnete (Landtag). Wie also können die Unionsbürger die Gemeindeabgeordneten wählen, ohne zugleich den Landtag zu bestimmen?

Die Lösung ist verblüffend einfach und zweifarbig: Die deutschen Bremer bekommen blaue Wahlzettel. Die werden im Wahlbezirk nach 18 Uhr wie gehabt ausgewertet – diese Auszählung ergibt die Abgeordneten des Landtages. Wir Unionsbürger hingegen bekommen grüne Wahlzettel. Diese werden am Wahlort nur gesammelt, anschließend aus allen Wahlbezirken ins zentrale Wahlamt gebracht und dort erst am nächsten Tag ausgezählt. Diese Prozedur dient der Wahrung des Wahlgeheimnisses. Denn wenn etwa in der Schule, in der ich wähle, nur drei Unionsbürger ihre Stimme abgeben, könnte leicht kombiniert werden, was ich gewählt habe.

Das Ergebnis der grünen Wahlzettel kann natürlich das der blauen verändern. Immerhin gibt es in Bremen gut 7.500 wahlberechtigte Unionsbürger, und erst das blaugrüne Endergebnis bestimmt die endgültige Zusammensetzung der achtzigköpfigen Stadtbürgerschaft. Möglicherweise kommt da der ein oder andere Abgeordnete mächtig in Bewegung. Denn wenn dank der grünen Zettel beispielsweise die SPD einen Abgeordneten mehr hat, dann muß eine andere Partei, sagen wir die CDU, einen weniger haben. Denn mehr als 80 Sitze wird es nicht geben. Dieser Grünzettel-Abgeordnete der SPD ist dann aber nur Mitglied der Stadtbürgerschaft, darf demnach nur an deren Sitzungen teilnehmen und muß bei den Landtagssitzungen nach Hause gehen. Der durch die grünen Zettel rausgefallene CDU-Abgeordnete hingegen bleibt selbstverständlich Landtagsabgeordneter, aber bei den Sitzungen der Stadtbürgerschaft geht er dann nach Hause. Das heißt: In Bremen könnte es nach der Wahl Abgeordnete geben, die nur für die Stadtbürgerschaft oder den Landtag gewählt sind.

In Bremerhaven existiert dieses Problem nicht. Denn die Bremerhavener wählen morgen nur ihre Landtagsabgeordneten, Unionsbürger dürfen dort also nicht wählen. Bei den Stadtverordnetenwahlen im September sind dann auch die Unionsbürger am Zug. Die Wahl der Beiräte ist übrigens völlig unproblematisch. Beiräte sind kommunale Gremien, also dürfen alle wählen, alle mit dem gleichen gelben Wahlzettel.

Selbstverständlich umfaßt das Wahlrecht der Unionsbürger nicht nur das aktive, sondern auch das passive Wahlrecht. Das heißt: Unionsbürger dürfen auch gewählt werden – allerdings nur zu Abgeordneten der Stadtbürgerschaft. Einen ausländischen Stadtbürgerschaftsabgeordneten wird es aber dennoch nicht geben. Nur die SPD hat einen Unionsbürger aufgestellt – einen Belgier auf dem wohl aussichtslosen 43. Platz.

Wieviele Unionsbürger morgen wählen, werden wir erst am Montag wissen. Es sind nur Gemeindewahlen, zu denen wir zugelassen sind, nur ein kleiner Anfang. Aber immerhin: eine Gelegenheit zu zeigen, daß wir die Politik des Landes, in dem wir leben, mitbestimmen wollen. Christine Spiess, Autorin dieses Textes, ist Italienerin