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Bambi ist nicht böse

Daniel Johnston erreicht ein Maximum an Ausdruck mit einem Minimum an Virtuosität. Deshalb nennen ihn manche den Ed Wood des Rock. Am Sonntag tritt der Exzentriker in der Volksbühne auf  ■ von Nils Michaelis

Es gibt Leute, die halten Daniel Johnston für den Ed Wood des Rock. Zum einen wegen Johnstons dilettantischem Umgang mit Gitarre und Klavier: Ein Minimum an Virtuosität steht hier einem Maximum an Ausdruck gegenüber. Zum anderen denken sie an den Low-Budget-Charme der Filme von Ed Wood, dessen offensichtliche Spleens immer verhinderten, daß sich solvente Geldgeber fanden.

Der Vergleich mit Ed Wood ist insofern nicht schlecht, und doch fällt er ein wenig zu Johnstons Ungunsten aus. Schließlich genießt man die Musik des Exzentrikers am Rande des Nervenzusammenbruchs nicht, weil man den Dilettantismus gern als offensichtlichen Dilettantismus mag, sondern weil seine großen Songs und die Gebrochenheit seiner Stimme einem erste und letzte Dinge nahebringen – Dinge, die in Johnstons Musik gefaßt sind wie der Diamant im Ring.

Da helfen also nur bessere Vergleiche. Deshalb: Daniel Johnston ist der Lee Perry des Alternative-Rock; der Billy Graham für exzentrische Musikologen; und natürlich auch die amerikanische Antwort auf Klaus Beyer, Berlins Fachkraft für befreite Beatles-Interpretationen.

Warum? Der Reihe nach: Der Reggaeproduzent und Musiker Lee Perry zerschlug nach einem Nervenzusammenbruch sein legendäres Black-Ark-Studio und hat seitdem das, was man gemeinhin die „soziale Realität“ nennt, verlassen, um in geheimisvolle Zwiegespräche mit Comicfiguren oder Michael Jackson zu treten. Daniel Johnston sagt: „Ich liebe das Zeug von Walt Disney. Das ist aber auch so eine Sache, daß nämlich jeder jeden überzeugen will, Walt Disney sei böse. Das ist lächerlich. Du siehst Bambi oder Donald Duck, und wirklich alle sind hier gute alte Kumpel. Und dann passiert es, daß die Leute in diesem Punkt dein Gehirn waschen wollen. Die Walt Disney Company ist nicht mehr in der guten Verfassung, in der sie noch vor einigen Jahren war. Wer aber sagt, daß es sich dabei um eine Verschwörung handelt, macht sich lächerlich. Aber die Leute fallen darauf rein und glauben, Micky sei der Teufel.“

Der Kandidat Billy Graham ist dagegen einfach nur Bigotterie, allerdings Bigotterie vom Feinsten; mit diesem schlichten Programm hat er sich zur Institution unter den US-Fernsehpredigern emporgeschwungen. Daniel Johnston sagt: „Die Vereinigten Staaten sind der Garten Eden. Als einst die Flut kam und die Kontinente verschwanden, blieb nur der Garten Eden übrig, isoliert und geschützt durch den Ozean.“

Klaus Beyer ist als Beatles-Fan bekannt geworden, weil er nicht so ist wie andere Beatles-Fans. Daniel Johnston sagt: „Die Beatles sind das Größte. Die Beatles sind immer noch zusammen. John, Paul, George und Ringo machen ständig Aufnahmen. Und wenn die Verehrungen irgendwann an ein Ende kommen und das 10.000. Jahr seit Christus naht, werden sie immer noch jammen.“

Okay, habe ich mich klar genug ausgedrückt? Nicht? Na gut, dann eben deutlicher: Wer Sonntag abend nicht in die Volksbühne geht, wird sich von seinen Enkelkindern unangenehme Fragen anhören müssen! Daniel Johnston sagt: „Wenn ich sterbe, wird es keine Musik geben. Hundert Jahre nach meinem Tod wird man meinen Körper wieder auferstehen lassen und mich zum Frankenstein machen. Dann werde ich mit den Beatles und den Butthole Surfers touren – und es wird eine Musik geben wie nie zuvor.“

Daniel Johnston zusammen mit Jad Fair, Daisy Cooper und Klaus Beyer: So, 21 Uhr, Theatersaal der Volksbühne, Rosa-Luxemburg-Platz

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