Schwierige Heimkehr in ein zerstörtes Land

■ Die Vorbereitungen für eine Rückkehr der Flüchtlinge in das Kosovo laufen auf vollen Touren. Doch es wird lange dauern, bis eine sichere Heimkehr gewährleistet werden kann. Das Land ist mit Minen der jugoslawischen Armee und mit Nato-Blingängern verseucht.

Mit der Aussicht auf eine Umsetzung des Kosovo-Friedensplans wächst nun auch die Aussicht auf eine Umkehr der Flüchtlingsströme. Doch für viele der Kosovo-Albaner, die in ihre Heimat zurückkehren wollen, wird es höchstwahrscheinlich ein gefährliches und deprimierendes Abenteuer werden. Die von den Serben hinterlassenen Minen und nicht explodierte Nato-Munition bedrohen Leib und Leben der Heimkehrer, speziell der arglos spielenden Kinder.

Der Haß und die Zerstörungswut des serbischen Militärs und anderer bewaffneter Einheiten hat überall im Kosovo tiefe Spuren der Zerstörung hinterlassen. Dies – und die Bombardierungen der Nato – werden ein Grund für die anfängliche Not der Menschen allerorten sein: Die ausreichende Versorgung mit Lebensmitteln und mit Wasser wird angesichts der Zerstörungen nur schwer möglich sein, Unterschlupf muß in Ruinen gesucht werden.

Brücken sind zerborsten. Tunnel sind blockiert. Eisenbahn-Verbindungen sind unterbrochen. Die Landebahnen der Flughäfen sind nur noch Kraterlandschaften. Die Versorgungseinrichtungen sind weitgehend demoliert. Ganze Ortschaften und Stadtviertel liegen in Schutt und Asche. In den Brunnen der Bauernhöfe stecken hineingeworfene Tierkadaver, andere Wasserquellen sind auf Jahre hin unbrauchbar gemacht – verölt mit Diesel, verseucht durch hineingekippte Lackverdünner. Die Felder liegen brach, und wo noch gesät wurde, ist die Ernte inzwischen verrottet.

Doch all dies wird, so sagen die Experten, viele Kosovaren nicht davon abhalten können, in die Heimat zurückzukehren. Und mit der Welle der Heimkehrer werden dann die Friedenssicherer, die Entwickler, die humanitären Helfer und die politischen Beobachter zurückkehren. Die ersten Zugänge werden die Nato-Soldaten sein, mit dem Auftrag, die Massenheimkehrer nicht nur gegen Überfälle zu sichern, sondern auch, um die mörderischen Minen im Boden aufzuspüren und Blindgänger zu sprengen.

Ein Nato-Offizier der Friedenstruppe, die derzeit in Mazedonien aufgebaut wird, rechnet trotz aller Widrigkeiten mit einem starken Andrang von Flüchtlingen, die zurück wollen in die Provinz. Die Sorge sei, daß die Grenzen zwischen Albanien und Mazedonien und dem Kosovo dabei unkontrollierbar werden könnten. „Wir machen uns Sorgen, die Flüchtlinge könnten schneller an die Minen herankommen, als wir“, sagt der Offizier.

Während die Sicherheit der Menschen in die Zuständigkeit der internationalen Friedenstruppe fallen wird, soll das UNO- Flüchtlingshilfswerk UNHCR die Koordinierung der internationalen Hilfsmaßnahmen übernehmen. Der Aufbau einer funktionierenden zivilen und politischen Verwaltung fällt der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zu. Bereits am Mittwoch hatte die OSZE angekündigt, sie wolle mit 2000 Mann in den Kosovo zurückkehren. Ausländische Ärzte, Rechtsanwälte, Ingenieure, Logistiker, Sozialarbeiter, humanitäre Helfer aller Art und natürlich die Ermittler zu Kriegsverbrechen werden scharenweise in das Land einwandern. Doch wer diese zivile Invasion koordinieren wird, darüber ist bislang noch nicht entschieden, sagen Diplomaten.

Ein weiteres Problem ist die Vesöhnung der serbischen und der albanischen Bevölkerungsgruppen miteinander. Daniel Serwer, Experte eines Friedensinstituts in Washington, rechnet mit einer Massenflucht des serbischen Bevölkerungsteiles. „Da wird kein Serbe bleiben, und so wird auch die Aussöhnung gar kein Thema sein“, sagt Serwer. Die Heimkehrer andererseits würden Gerechtigkeit angesichts ihrer Toten verlangen. „Sie werden nach Gerechtigkeit fragen, aber wer wird sie ihnen dann bringen?“

Ein Problem werden auch die Freischärler der UCK bleiben. Diplomaten berichten, UCK-Kämpfer hätten sich der Folterung und der Ermordung von serbischen Landsleuten schuldig gemacht. Der Friedensplan sieht die Entwaffnung der Freischärler vor. Auch dies wird als Aufgabe der Nato zufallen: Die Entwaffnung zu überwachen und dafür zu sorgen, daß die UCK nicht gegen die Serben im Kampf um die Macht in Albanien mit Waffengewalt vorgeht.

Der albanische Botschafter in Bonn, Bashkim Zeneli, widersprach solchen Befürchtungen gestern entschieden dagegen, die verschiedenen politischen Gruppierungen der Kosovo-Albaner als Terroristen oder Gemäßigte einzuteilen. Jetzt müßten alle zusammenarbeiten. Auch die Entwaffnung der Widerstandsarmee UCK sieht er nicht als ein Problem an. Sie sei lediglich gebildet worden, um der serbischen Gewalt zu widerstehen, und könnte künftig als eine Art Polizei fungieren.

In Albanien, wo die meisten Kosovo- Flüchtlinge untergekommen sind, sieht man das Friedensabkommen und damit die Chancen auf eine schnelle Rückkehr der Flüchtlinge wenig euphorisch: „Milosevic ist ein Meister von Tricks“, warnte der albanische Außenminister Paskal Milo am Donnerstag in Tirana. „Er würde alles tun, um die Umsetzung des Abkommens zu verhindern, auch wenn es heute aussieht, als habe er kapituliert“.

Auch der albanische Staatspräsident Rexhep Meidani hat die Übereinkunft mit Belgrad nur als einen „ersten Schritt“ für eine Friedenslösung begrüßt. Lieber hätte er die unzweideutige Erfüllung der fünf Nato-Forderungen an Belgrad gesehen, sagte Meidani bei einem Treffen mit deutschen Politikern in Tirana. Besonders bedenklich seien die Planungen für einen gemeinsamen Oberbefehl Rußlands und der Nato in der angepeilten Kosovo- Friedenstruppe. „Die von der Nato geführte internationale Sicherheitsstreitmacht sollte das gesamte Kosovo-Gebiet kontrollieren“, warnte das Staatsoberhaupt vor einer eventuellen Teilung der Krisenprovinz.

„Wir sind gegen ein unabhängiges russisches Kommando für die Streitkräfte im Kosovo“, bekräftigte auch der Außenminister diese Kritik. „Denn das würde von Belgrad und den paramilitärischen Kräften genutzt, um das Abkommen zu torpedieren“. Doch trotz aller Zweifel wird Albanien sich offenbar ohne Wenn und Aber der Nato-Linie anschließen.

Reuters/dpa