Bündnisgrüne wollen nicht FDP-light werden

Die Auseinandersetzung um den Kosovo-Konflikt hat den linken Flügel der Bündnisgrünen gespalten. Frühere Wortführer betreiben Realpolitik, andere wollen eine neue, alte Rolle finden. In Dortmund sollen die Chancen ausgelotet werden  ■ Von Dieter Rulff

Berlin (taz) - Die Grünen im österreichischen Linz mußten sich jüngst mit einem Asylantrag ganz eigener Art befassen. Bayerische Parteifreunde baten um Aufnahme, weil sie die eigene Partei auf Kriegskurs wähnen. Die Österreicher blieben lieber neutral. Sie wollten sich in der innerdeutschen Auseinandersetzung um den rechten Weg zum Frieden nicht instrumentalisieren lassen.

Seit dem der Parteitag in Bielefeld vor vier Wochen die Grünen auf den Kurs von Außenminister Fischer festlegte, ist für viele Linke und Pazifisten die Parteiwelt nicht mehr in Ordnung. Es ist zwar nur eine verschwindende Minderheit, die direkt das Exil wählt, doch schon größer ist die Zahl derer, die den Grünen den Rücken kehren, und noch größer ist die Gruppe, die frustriert in die innere Emigration geht.

0,7 Prozent der Mitglieder sind seit Kriegsbeginn ausgetreten. Am schmerzlichsten hat es den Landesverband Brandenburg getroffen, dessen fünfhundertachtzig Köpfe um achtzig schrumpften. In Berlin hingegen, einer der Hochburgen des innerparteilichen Protestes, stehen den hundert Austritten gleich 140 Eintritte gegenüber. Auch in Hamburg wurde der Austritt von 50 Gegnern der offiziellen Außenpolitik durch den geschlossenen Eintritt der 40 köpfigen Hochschulgruppe der Grünen kompensiert - sie fühlen sich durch den realpolitischen Kurs angesprochen.

So einhellig bei manchem die Verbitterung über den Kurs der Partei ist, so vielfältig sind die Konsequenzen die daraus gezogen werden. Einen ersten Überblick soll ein Treffen erbringen, das an diesem Wochenende in Dortmund stattfindet. Mehrere hundert Unzufriedene erwartet der Bundestgasabgeorndete Christian Ströbele, darunter auch solche, die eine eigene Partei gründen wollen. Andere, wie er, wollen in den Grünen „linke, soziale Positionen stärken“. Das ist in den Augen des Vorstandssprecher der Heinrich Böll Stiftung Ralf Fücks ein müßiges Unterfangen. Statt sich in Anklagen zu erschöpfen, empfiehlt er seinen Parteifreunden, sich auf die Widersprüche der realen Welt einzulassen. Bielefeld habe lediglich eine Richtungsentscheidung bestätigt, die lange vorher gefallen sei.

Nicht jedem ist es leichtgefallen, diese Entscheidung nachzuvollziehen. Schon vor dem Parteitag hatte sich bei vielen ein über lange Zeit aufgebauter „Sockelfrust“ angestaut, über die geringe Durchsetzung eigener Inhalte innerhalb der Regierung. Dieser Frust hat sich durch die Kosovo-Politik für manche ins Unerträgliche gesteigert. Gleichzeitig weisen die Grünen jedoch seit Bielefeld wieder leicht wachsende Umfragewerte auf. Was Teile der Basis verdammen, macht die Grünen in den Augen der Wähler anscheinend wieder attraktiver.

Auch wenn er für die Regierungspolitik keine Bedeutung mehr hat, stellte der Bielefelder Parteitag für die Linke in der Partei eine Zäsur dar. Er habe, sagt Christian Ströbele weit über die Einzelfrage der Luftangriffe hinaus symbolische Bedeutung. Ströbele erkennt bei den Grünen „eine grundsätzliche Tendenz zur Modernisierung“, eine Entwicklung hin zu einer „FDP- light“, der er nun den vernetzten Widerstand derer entgegensetzen will, die an den Grundprinzipien der Grünen festhalten wollen. Den nächsten Richtungsstreit kündigt er bei den anstehenden Beratungen um die restriktive Haushaltspolitik des Bundesfinanzministers Hans Eichel an.

Der Parteienforscher Franz Walter sieht in der Die Woche die Zukunft der Grünen nach Bielefeld im linken Liberalismus. Fücks vermeidet das Wort liberal und spricht lieber von dem Profil einer ökologischen linken und libertären Reformpartei, mit dem sich die Grünen nun einen originären Platz im Parteiensystem erobern müssen.Die Debatte um ein Grundsatzprogramm komme gerade recht, um das Selbstverständnis auf die Höhe der Zeit zu bringen.

Während Ströbele die Parteilinke für diese programmatische Auseinandersetzung stärken will, sehen andere diese Linke nach Bielefeld entscheidend geschwächt. Den Babelsberger Kreis, sagt Vorstandssprecherin Antje Radcke, wird es so nicht mehr geben. Die dort vereinigte Linke differenziert sich in einen Basis- und einen Regierungsflügel. In den Fraktionen und Vorständen sind allerdings nur noch Regierungslinke zu finden, die nun die einst so verpönte Realpolitik betreiben.

Sonntag, 10 Uhr, AudiMax Universität Dortmund