Staatsanwalt ermittelt gegen Ausbildungsverein

■  Statt Ausbildungsplätze zu finanzieren, soll ein Verein Fördergelder veruntreut haben. Arbeitsverwaltung in der Kritik

Statt Jugendlichen eine Zukunftsperspektive aufzubauen, hat der Vorstand eines öffentlich geförderten Vereins anscheinend in erster Linie die eigene Zukunft frisiert. Wegen des Verdachts der Veruntreung öffentlicher Mittel ermittelt die Staatsanwaltschaft jetzt gegen den Vorstand des Vereins „Existenz Zukunft 2000 Plus“, unter anderem gegen den 47jährigen Andreas W.

Eigentlich soll der Verein Jugendlichen ohne Lehrstelle eine Ausbildung als FriseurInnen oder Einzelhandelskaufleute verschaffen. Anscheinend wirtschaftete der Vorstand jedoch munter in die eigene Tasche. Die Kontrolle der dem Verein überwiesenen öffentlichen Mittel – unter anderem von der Arbeitssenatorin und der Lottostiftung – oblag der renommierten Servicegesellschaft Sozialpädagogisches Institut (SPI). Genehmigt wurde das Projekt nach taz-Informationen im Hause der damaligen SPD-Arbeitssenatorin Christine Bergmann.

Weil ihm die Machenschaften des Vorstandes zu bunt wurden, erstattete ein Vereinsmitarbeiter im November 1998 Anzeige bei der Staatsanwaltschaft. Nach seinen Angaben erhielt die Ausbildungsfirma seit März vergangenen Jahres rund 2 Millionen Mark vom SPI. Laut Anzeige, die der taz vorliegt, besteht der Verdacht, daß über 100.000 Mark, möglicherweise viel mehr, vom Vorstand aus dem Fenster geworfen wurden.

So habe der Vorstand ein Auto gekauft und zwei weitere geleast – sie fuhren zum guten Teil für private Zwecke, heißt es in der Anzeige. „50.000 bis 60.000 Mark“ aus öffentlichen Fördergeldern habe eine neue, aber überflüssige Büroeinrichtung gekostet. Der 2. Vorstand habe sich gar einen Privatkredit von 15.000 Mark aus den Ausbildungsmitteln genehmigt.

SPI-Chef Rainer Rodewald bestätigt, daß „Existenz Zukunft 2000 Plus“ außerdem eine Mietkaution von 50.000 Mark aus Fördergeld bestritt, was nicht erlaubt ist. Wieviel Geld von den 2 Millionen durch Zweckentfremdung verschwand, wollte Rodewald nicht sagen. W. selbst wollte mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht Stellung nehmen.

Klar ist jedoch: Nur 15 Monate nach seiner Gründung läuft gegen den Verein ein Verfahren wegen Zahlungsunfähigkeit. Von anfangs rund 120 Auszubildenden sollen gegenwärtig noch etwa 90 eine Stelle haben. Für mehr reichten die dem Verein verbliebenen Mittel offenbar nicht aus.

Vereinsvorstand Andreas W. war laut Anzeige außerordentlich kreativ, wenn es um seine eigene Brieftasche ging. So soll er zwei bankrotte Friseurgeschäfte übernommen und mit den öffentlich finanzierten Azubis als Arbeitskräften betrieben haben. Die Einnahmen daraus hätten die Vorstände täglich persönlich abgeholt. Daß Andreas W. auch in die Friseurausbildung einsteigen konnte, hat er nicht zuletzt Siegfried Helias zu verdanken. Der frühere arbeitsmarktpolitische Sprecher der CDU im Berliner Parlament und jetzige Bundestagsabgeordnete hat als Friseurmeister viel Einfluß in seiner Innung.

SPI-Chef Rodewald weist die Kritik zurück, den Verein nicht ausreichend kontrolliert zu haben. Von einem Offenbarungseid, den Vorstand Andreas W. 1997 im Saarland leisten mußte, habe er erst später erfahren, so Rodewald. Nachdem die Vorwürfe der Anzeige bekanntgeworden seien, habe man sofort eingegriffen.

Fälle wie der vorliegende sind dem Landesrechnungshof sattsam bekannt. Erst kürzlich regte sich Rechnungshofpräsident Horst Grysczyk darüber auf, wie sorglos Senat und Servicegesellschaften häufig mit den Steuern der BürgerInnen umgingen. Gerade in der Arbeitsverwaltung, die auch bei „Existenz Zukunft 2000 Plus“ die finanzierende Stelle ist, seien die MitarbeiterInnen mitunter mit der Verwaltung und der Kontrolle der Fördermittel überfordert. Hannes Koch