Vom Warenhaus des Wissens zum Massenprodukt

■ Schon in zehn Jahren sollen die Museumsinsel in Berlin fertig sein und vier Millionen Besucher pro Jahr kommen. Nur: Es mangelt an konkreter Umsetzung des Masterplans

Die Sonne schien – auch im übertragenen Sinn –, als Michael Naumann, Staatsminister für Kultur, und Klaus-Dieter Lehmann, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), sich anschickten, die Ergebnisse der Sitzung des Stiftungsrates der SPK von letztem Freitag unter die Leute zu bringen. Zufriedenheit und Optimismus allerorten: Masterplan für die Berliner Museumsinsel beschlossen, der neue Generaldirektor der Staatlichen Museen berufen, das Zentrum für Fotografie auf den Weg gebracht. So viel offenkundige Einigkeit gab es schon lange nicht mehr bei einer Beratung der mit der SPK befaßten Vertreter von Bund und Ländern.

Beispiel Museumsinsel: Seit Jahren streiten Politiker, Museumsexperten und Denkmalpfleger über die adäquate Form der Sanierung dieses baulich einmaligen Ensembles. Wettbewerbe wurden ausgeschrieben, Entscheidungen gefällt, diskutiert und wieder in Frage gestellt. Nun gibt es endlich Klarheit: Das Bodemuseum, in dem künftig die vor- und frühgeschichtlichen, die byzantinischen und die Skulpturensammlungen untergebracht werden sollen, das Pergamonmuseum sowie das Neue Museum, das für das Ägyptische Museum hergerichtet wird, werden durch drei großzügige unterirdische Gänge miteinander verbunden. Der gemeinsame Haupteingang soll in einem eigenen Gebäude liegen, für das der Packhof auf der Spreeseite des Neuen Museums als Standort vorgesehen ist. Früher einmal, so der englische Architekt David Chipperfield, der zusammen mit seinen Kollegen Hilmer/Sattler und Heinz Tesar den Masterplan entwickelte, seien Museen „Warenhäuser des Wissens“ gewesen. Heute hingegen seien sie bevorzugte Reiseziele des Massentourismus. Damit sich die rund vier Millionen Besucher, die die Stiftung pro Jahr auf der Museumsinsel erwartet, nicht gegenseitig auf den Füßen stehen, will man die bisherigen Eingänge der Museen beibehalten.

Was in dem Masterplan nicht festgelegt wurde, ist die konkrete Umsetzung der Baumaßnahmen. Dafür werden die beteiligten Architekten noch Entwürfe liefern müssen. Allzuviel Zeit werden sie sich dabei nicht lassen können. In zehn Jahren, das kündigte SPK-Präsident Klaus-Dieter Lehmann an, sollen die Bauarbeiten über die Bühne gegangen sein, was eine Verkürzung der Bauzeit um immerhin hundert Prozent bedeutet. Ob das ehrgeizige Vorhaben gelingt, wird nicht zuletzt von der Finanzierung abhängen. Und spätestens an diesem Punkt wurde deutlich, daß die schönen Entscheidungen des SPK-Stiftungsrates noch einige Sollbruchstellen aufweisen. Auf insgesamt zwischen 1,8 und 2,5 Milliarden Mark werden die Baukosten geschätzt. Um den Zeitplan einzuhalten, wäre es nötig, die Finanzmittel bereits ab nächstem Jahr erheblich aufzustocken, und zwar sowohl von seiten des Bundes als auch vom Land Berlin. Doch als er gefragt wurde, ob die Erhöhung der Gelder im kommenden Haushalt beantragt seien, mußte der ebenfalls anwesende Berliner Kultursenator Peter Radunski passen. Vielleicht könne es ja eine „private-public partnership“ richten, so Radunski. Vielleicht, vielleicht auch nicht.

Als ein entschiedenes Jein stellt sich bei näherer Betrachtung auch der Beschluß in Sachen Fotomuseum heraus. War noch vor einem halben Jahr davon die Rede, die Institution, die im jetzigen Ägyptischen Museum unterkommen soll, schon im Jahr 2000 zu eröffnen, so rechnen die Verantwortlichen nun mit einer zweijährigen Planungsphase, während der eine noch zu bestimmende Projektleiterin ein schlüssiges Konzept für das Zentrum für Fotografie erarbeiten soll. Wenigstens scheint der Streit mit dem Fotografen und Hauptleihgeber Helmut Newton beigelegt. Nach seinem im März angedrohten Rückzug sitzt Newton jetzt wieder mit im Boot. Und die Umwandlung vom Schnellschuß zum Langzeitunternehmen hat noch etwas Gutes: Das Ägyptische Museum wird, wie es aussieht, bis zu seinem Umzug in das Neue Museum auf der Museumsinsel am angestammten Ort bleiben können.

Am Rande seien noch ein paar Details – wohlgemerkt: keine Marginalien – der Beratungen erwähnt. Im Fall der seinerzeit unrechtmäßig erworbenen Kunstwerke aus ehemals jüdischem Besitz hat man sich auf eine rasche Einigung verständigt, „ohne Ansicht der rechtlichen Lage“, wie Staatsminister Naumann betonte. Im speziellen handelt es sich um eine Federzeichnung Vincent van Goghs im Kupferstichkabinett und ein Gemälde Hans von Marees, das sich im Bestand der Nationalgalerie befindet. Die beiden Werke sollen der heute in England lebenden einstigen Eigentümerin Gerta Silberberg zurückgegeben werden. Die auf bis zu 18 Millionen Mark geschätzte Zeichnung van Goghs freilich will die Stiftung nicht wirklich hergeben – sie soll von Frau Silberberg erworben werden; wie, ist noch nicht ganz klar. Und was den Gropius-Bau betrifft, der nach dem Verzicht des Festspiele-Leiters Ulrich Eckhardt wieder frei ist: Da hat der designierte Generaldirektor der Staatlichen Museen, Peter-Klaus Schuster, Anspruch auf die Intendanz angemeldet. Ulrich Clewing

Ob das ehrgeizige Vorhaben gelingt, hängt vom Geld ab. Aber genau an diesem Punkt gibt es noch Sollbruchstellen.