Lang und planlos durch die Nacht

■ Sexy Sofa Surfers: Die Nightline City Cruisers mit schicker Tanzmusik im Maria

Daß das Sofa viel mit Musik zu tun hat, weiß ein jeder nur allzu gut aus eigener Erfahrung. Doch auch Musiker selbst haben zum Sofa eine sehr spezielle Beziehung: Frank Zappa widmete ihm ein ganzes Stück, Velvet Underground posierten für ein Albumcover auf einem Sofa, die Wiener Sofa Surfers tragen es in ihrem Namen und machen trotzdem tonnenschweren Dub, und 1987 servierten auf der documenta Barkeeper des „Kumpelnest 3000“ dem Publikum Eierschnitten und Lachshäppchen, während die Tödliche Doris auf einem auf der Bühne stehenden Sofa „strumpfhosenhüpfte“.

Auch im Konzertsaal des Maria steht ein Sofa, lang und ziemlich abgenutzt. Auf ihm sitzen jeden Mittwoch abend ab zehn Uhr die vier Mitglieder der Night Line City Cruisers und spielen geniale Dancemusik: die No-Show-Haltung könnte nicht schöner sein.

NCC – es klingt eigentlich wie eine synthetische Droge oder ein neues Angebot der Deutschen Bahn. Und trifft es auch zum Teil, da die größtenteils improvisierte Musik auf den Zuhörer wie eine lang und planlose Fahrt durch ein unbestimmbares Sounduniversum wirkt.

Mal klingt es wie eine zigmal gecoverte Fassung aus einem Cops-mit-Kaugummis-in-LA-Filmsoundrack, also B-Movie-emotions for ever, mal scheinen sich zahllose Genres wie Drum 'n' Bass, TripHop, Elektrotrash und Kommerz-Pop ins Gehege zu kommen, um sich dann minimalistisch und perfekt wieder zusammenzufinden. Geht man dann aber ein Bier holen oder kurz mal in die Flittchen-Bar reingucken, klingt es schon wieder total anders. Was NCC Woche für Woche anbietet, läßt sich aber nicht nur auf einen alchemieartigen und samplerbasierten Mixprozeß reduzieren. Sei es der zerbrechlich-coole und extrem zurückgehaltene (Rap)-Gesang des Schweizer Dänen Derrick Holland, seien es die mal bootsyartig explodierenden, mal sensibel-sanften touchés von Dr. Phelbs Baßgitarre, sei es das phantastische Spiel des kanadischen Orgelspielers Chilly Gonzalez: Die Live-Elemente des Gigs sind immer subtil und witzig und passen congenial zu den Basicvinylbeats des Ex-“Wohnungs“ Philosophen Robert Defcon.

Schon seit Januar sitzen die vier Musiker jede Woche nebeneinander: „Es war ein Zusammentrefffen glücklicher Umstände. Wir passen zwar irgendwie überhaupt nicht zusammen, aber wir machen eben alle unser Ding und produzieren etwas, das größer ist als wir selbst.“ Nachdem alle vier Musiker inzwischen Plattenverträge unterzeichnet haben, kann sich der Homo clubbens mit den Sounds von NCC noch bis zum Ende des Jahres davon überzeugen, daß die Musik ihre Quelle im Organischen hat und nicht – wie es sonst alle immer denken – im Magnetischen.

Am Ende aber – NCC-Auftritte können bis zu sechs Stunden dauern, das hängt vom Publikum ab – werden mit routinierten Gesten Instrumente und Mixconsole wieder in den Rucksack gepackt. Bis zum nächsten Mittwoch. Es gibt eben kein Wunder: Musiker sind auch Jobber, wie du und ich. Und das Sofa ein cooles Ornament. Yves Rosset

NCC, immer Mi, ab 22 Uhr, Maria, Straße der Pariser Kommune 8 – 10