Iranischen Juden droht die Todesstrafe

■ 13 Mitglieder einer orthodoxen Gemeinde sollen für die USA und für Israel spioniert haben. Unter ihnen sind auch drei Rabbis

Berlin (taz) – Die iranischen Behörden wollen 13 Mitglieder der jüdischen Gemeinde des Landes wegen Spionage für Israel und die USA vor Gericht stellen. Das meldete der staatliche Rundfunk der Islamischen Republik am Montag. Ihnen werde vorgeworfen, das „zionistische Regime“ und die „Weltarroganz“ mit Informationen versorgt zu haben. Der persischsprachige Dienst der BBC zitierte einen „informierten Offiziellen“ in Teheran, der den Bericht bestätigte. Im Falle einer Verurteilung droht den Beschuldigten die Todesstrafe. Zuletzt waren 1997 in der Islamischen Republik zwei Iraner wegen Spionage für Israel hingerichtet worden.

Bei den Beschuldigten – unter ihnen drei Rabbis – soll es sich um Mitglieder der jüdischen Gemeinde der südiranischen Stadt Schiras handeln. Der israelische Rundfunk wußte gestern zu berichten, daß sie bereits vor mehr als zwei Monaten verhaftet wurden. Diese Version wird von informierten Exiliranern bestätigt. Mitgliedern exiliranischer jüdischer Gemeinden war der Fall seit längerem bekannt. Sie machten ihn jedoch nicht publik, um geheime Verhandlungen zwischen iranischen Behörden und Vertretern der jüdischen Gemeinde Irans nicht zu gefährden. Solche Gespräche führten schon öfter zum Erfolg. Die in London erscheindende persischsprachige Zeitung Nimrus hatte nach der Verhaftung kurz darüber berichtet, sich fortan jedoch zurückgehalten.

„Wie bereits in früheren Fällen gab es geheime Verhandlungen zwischen Vertretern der jüdischen Gemeinde und den iranischen Behörden“, berichtete Pouja Dayanim vom Komitee iranischer Minderheiten in Los Angeles jetzt der BBC. „Aber diesmal sieht es so aus, als habe sich die Situation verändert, als wollten die Behörden die Inhaftierten nicht freilassen. Deshalb sind wir ernsthaft um ihr Leben besorgt.“

Nach Angaben von iranischen Juden im Exil lieferten die iranischen Behörden in den zurückliegenden Wochen einen bunten Strauß an Begründungen für die Festnahmen. Zuerst habe es geheißen, die Verhafteten hätten „antiislamische Propaganda“ verbreitet. Dann wäre erklärt worden, sie hätten entgegen den Gesetzen der Islamischen Republik Jungen und Mädchen im gleichen Raum unterrichtet. Nach Ansicht von iranischen Juden im Exil ist diese Darstellung unsinnig, weil es sich bei der betroffenen Gemeinde um eine orthodoxe Gemeinschaft handelt, die die Koedukation ebenso vehement ablehnt wie die iranischen Kleriker. Zuletzt sei dann die Spionageversion aufgetischt worden – für die Betroffenen zweifelsohne die gefährlichste.

Die jüdische Gemeinde in Iran ist eine der ältesten der Welt. Nach Angaben der jüdischen Gemeinde Teheran siedeln Mitglieder der Glaubensgemeinschaft seit 2.500 Jahren in der Region. Doch nach der Islamischen Revolution 1979 begann der Exodus in die USA und nach Israel. Von einst etwa 80.000 Juden in der Islamischen Republik Iran sind noch etwa 30.000 übriggeblieben, zumeist alte Leute. Trotz offiziellen Verbots halten viele zumindest schriftlich durch Post, die sie über Drittländer verschicken, Kontakt zu ihren Verwandten – ein meist toleriertes Delikt. Selbst Reisen nach Israel über den Umweg Zypern sind möglich, wenn nicht allzulaut darüber gesprochen wird.

Direkt nach der Revolution wurden iranische Juden häufig verfolgt. Heute werden sie jedoch weitgehend in Ruhe gelassen. Nach den Regeln des Islam gelten sie als „dimmis“, als schützenswerte Anhänger einer „Buchreligion“. Menschenrechtsorganisation vermeldeten in den letzten Jahren keine Fälle von Judenverfolgung in Iran. Das könnte sich mit den Verhaftungen geändert haben. Thomas Dreger