Amüsierte Anrufe –betr.: „Hundert Meter Antifaschismus“, taz vom 28. 5. 99

Ihrem Artikel möchte ich als dort namentlich erwähnte Referentin einige mir notwendig erscheinende Ergänzungen hinterherschicken. Dazu veranlaßt haben mich die zahlreichen amüsierten Anrufe von Kolleginnen, Kollegen und Lehrenden der Alice-Salomon-Fachhochschule, die sich bei der Lektüre gefragt haben, wie ich es geschafft hatte, in Ihrem Artikel den Rechtsextremismus in Hellersdorf zu verursachen.

Wenn Sie schon die Reaktion eines Teilnehmers aus dem Publikum zitieren (“... so, wie du hier redest!“), hätten Sie die Leserschaft davon in Kenntnis setzen müssen, wie ich geredet habe. Es ging, wenn ich mich recht erinnere, um zwei grundsätzliche Fragen: 1. was ich meine, wenn ich Demokratie sage, wo doch nach Auffassung einiger Mitglieder der Antifa Demokratie = Kapitalismus = Faschismus bedeutet, und 2. den Umgang mit an öffentlichen demokratischen Gremien teilnehmenden Rechtsextremisten.

Die erste Frage habe ich mit dem Hinweis auf humanistische Werte, das heißt demokratische Grundstandards wie Schutz von Minderheiten, Opferschutz und die Anerkennung der Gleichwertigkeit ethnischer, kultureller und anderer Minderheiten offenbar zu kompliziert beantwortet. Die zweite Frage habe ich mit dem für einige Publikumsteilnehmer sicher zu demokratischen Vorschlag beantwortet, den inhaltlichen Schwerpunkt der Gremienarbeit auf die Partizipation von Minderheiten (Migranten, Juden, Homosexuelle, Behinderte etc.) und interkulturelle Projekte zu lenken, um eine Klarheit der Positionen und den Ausschluß der NPD nach der Maxime „Keine Toleranz fur Intoleranz“ zu erwirken. Denn auf diese Weise positioniert man sich erstens klar gegen die Ungleichwertigkeitsdoktrin der Rechtsextremisten, das rassistische Kernelement ihrer Ideologie. Zweitens muß man sich keiner diktatorischen Ausschlußmethode bedienen und gibt man, last but not least, der NPD nicht die von ihr gern in Anspruch genommene Möglichkeit, sich als Opfer antidemokratischer Ausschlußverfahren zu inszenieren.

Es ware hilfreicher gewesen, die divergierenden Positionen der Referentin und einiger Diskussionsteilnehmer aus dem Publikum einfach zu benennen, anstatt am gutgemeinten, aber ambivalenten Versuch einer Karikatur der Antifa zu scheitern. Silke Kirschnick, Zentrum Demokratische Kultur

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