Schmerzen der Anpassung

■ Barbara Bilabel macht am liebsten Dinge, die nicht gehen / Jetzt inszeniert die Regisseurin Roland Topors Stück Joko feiert seinen Jahrestag im Malersaal

Joko ist ein junger Fabrikarbeiter. In seiner Stadt findet ein Kongreß statt, dessen Teilnehmer es sich auf den Rücken der Arbeiter bequem machen. Alle finden das ganz normal, nur Joko nicht. Allmählich eskaliert die Situation – zumindest aus seiner Sicht: Die Herrschaften zerfleischen seine kleine Schwester, am Ende versammeln sie sich gar in Jokos Innerem.

Roland Topor, vor allem als surrealistischer Zeichner bekannt, erhielt für sein Stück Joko feiert seinen Jahrestag 1967 den „Prix des deux magots“. Am kommenden Mittwoch findet die deutschsprachige Erstaufführung von Jokos Geschichte im Malersaal statt, Barbara Bilabel führt Regie.

Die Regisseurin macht gern „Dinge, die eigentlich nicht gehen“, und inszeniert deshalb „Unaufführbares“ am liebsten. „Als ich Kind war, gab es nichts. Wir mußten uns alles zusammensuchen“, erklärt die 56jährige diese Vorliebe. „Was damals nur Schrecken war, ist heute eine Fähigkeit. So tauche ich bei meiner Arbeit in die Kindheit ab, baue aus zerstörten Teilen etwas auf.“ Joko ist für Bilabel eine Person, „die sich eigentlich richtig verhält und der der Mut abgeschnackt wird“. Das Stück insgesamt sieht sie als eine Parabel auf das Werden der Menschen und ihrer Wünsche, auf die Schmerzen der Anpassung.

Als Regisseurin fürs Schauspielhaus und vor allem durch die ungeschminkt blutrünstigen Inszenierungen der Gruppe Babylon auf Kampnagel machte sich Bilabel über Hamburg hinaus einen Namen. Nun inszeniert sie als Freie „relativ herum“ und schätzt immer mehr das bilder- und metaphernreiche Theater: „Die reine Provokation hat sich verbraucht.“ Für Topors Stück hat sie sogar das Ende umgeschrieben, denn sie will nicht, „daß das Publikum ohne Hoffnung nach Hause geht“.

Als Vorbereitung für die Aufführung unternahm das Ensemble Ausflüge in eine Fabrik und zu einem Kongreß. Die Inszenierung entstand unter der Mitarbeit aller, wobei Konflikte nicht ausblieben: Der ursprünglich vorgesehene Hauptdarsteller und die Regisseurin „hatten nicht die gleiche Phantasie“, es folgte eine Trennung. Aus der Zusammenarbeit mit der jetzigen Besetzung – dabei sind unter anderem Tonio Arango, Matthias Fuchs und Anne Weber – sei aber „etwas sehr Schönes“ entstanden.

Joko feiert seinen Jahrestag spielt in einer Zisterne. Darum ist Barbara Bilabel jetzt zum ersten Mal bereit, im Malersaal zu arbeiten. „Die Vorstellung, Theater unter der Erde zu machen, war für mich immer entsetzlich“, sagt die Regisseurin. „Und dann fließt da noch ein ganz unheimlicher unterirdischer Fluß . . .“ Nun läßt sie für die Aufführung auch den Bühnenraum mit Wasser füllen. Und siehe da: „Es funktioniert: Die unterirdische Wasserader ist gebannt!“

Nele-Marie Brüdgam

Premiere: 3. 1., Malersaal, 20 Uhr