„Wir können nur gewinnen“

■ Klar, sagt Werder-Coach Thomas Schaaf, seien die Bayern der große Favorit im heutigen Pokalfinale. Aber Spekulieren hilft nicht, denn weiterhin gilt: „Wäre meine Oma ein Bus, könnte sie hupen.“

taz: Herr Schaaf, das Pokalendspiel in Berlin steht an ...

Thomas Schaaf: ... als absolutes Saison-Highlight, nachdem wir die Situation in der Bundesliga geklärt haben. Das war das vorrangige Ziel, hatte Priorität vor allem anderen. Jetzt können wir uns auf Berlin freuen und dort unbeschwert gegen die beste Mannschaft Deutschlands, gegen die beste Mannschaft Europas auflaufen, auch wenn sie das Champions-League-Finale gegen Manchester verloren hat.

Würden Sie die Niederlage der Bayern in Barcelona als Vorteil für den SV Werder auslegen?

Ach, man kann es drehen und wenden, wie man will. Wenn sie gewonnen hätten, würden sie als erste deutsche Mannschaft überhaupt unbedingt das „Triple“ holen wollen. So aber könnte man behaupten, sie wären so verdammt gefrustet, daß die Stimmung letztendlich auch in Wut umschlagen könnte. Ich kann da nur Dieter Eilts zitieren: „Wäre meine Oma ein Bus, würde sie hupen.“ Man kann da nur spekulieren, und das ist nun mal gar nicht mein Ding.

Es geht gegen die beste Mannschaft Europas, wie Sie sagen. Was macht die Bayern so stark?

Die Bayern besitzen ein paar auch international herausragende Einzelspieler, die jederzeit ein Spiel alleine entscheiden können. Zudem sind sie in der Lage, vom System her, sehr variabel zu agieren, auf den verschiedenen Positionen haben sie jeweils hervorragende Alternativen. Und sie sind keineswegs nur eine Ansammlung von Individualisten, von Stars, sondern sie sind zu einem funktionierenden Team herangereift. Wir fahren als krasser Außenseiter dort hin, aber die Rolle nehme ich diesmal gern an.

Und wie bereitet sich Ihr Team auf das Match gegen einen so übermächtigen Gegner vor?

Wir sind am Donnerstag mittag nach Berlin gefahren, um dort noch zweimal zu trainieren. Aber wir können nicht erst dort unsere Hausaufgaben machen. Direkt nach dem letzten Bundesliga-Spiel in Stuttgart hatte die Vorbereitung auf Berlin begonnen.

Soweit zum organisatorischen Ablauf, aber wie soll Werder gewinnen?

Wir haben Respekt vor den Bayern, aber keine Angst. Das ist schon mal klar. Und genauso klar ist: Ich brauche keinen meiner Spieler zu motivieren, wenn es gegen den FC Bayern München im DFB-Pokalfinale geht. Unser Vorteil liegt darin, daß wir als Außenseiter in das Match gehen und eigentlich nur gewinnen können, also unbeschwert aufspielen können. Das bedeutet natürlich trotzdem, daß wir genau wissen müssen, worauf es ankommt. Diszipliniert und konzentriert muß man in jedes Spiel gehen. Wer sich gegen die Bayern nur versteckt, wird von ihnen abgeschossen, das ist klar. Also werden wir am Sonnabend sicherlich keinen Angsthasen-Fußball anbieten.

Lassen sich daraus Rückschlüsse in taktischer Hinsicht ableiten?

Ja, wir müssen ein Tor mehr, als der Gegner schießen. Nein, im Ernst: Ich kann natürlich vorher keine Details verraten. Die Taktik, wie und mit welchem Personal ich das Finale angehen werde, wird sich im Laufe der Tage vor dem Spiel abzeichnen. Es geht für uns darum, uns dem Favoriten aus München als Einheit gegenüberzustellen. Die Mannschaft hat sich in den letzten entscheidenden Spielen in der Bundesliga hervorragend präsentiert. Dies positive Gefühl müssen wir in das Finale mit hineinnehmen. Der Klassenerhalt ist geschafft, wir sind im internationalen Wettbewerb. Was fehlt, ist ein Titel. Niemand fährt nach Berlin, um dort zu verlieren. Natürlich werden wir gerade bei den Standards genau hingucken müssen, aber wir werden uns – auch wenn Bayern der klare Favorit ist – nicht nur nach ihnen richten. Damit würden wir uns auch unserer Stärken berauben. Zum Personal: Ich werde insgesamt mit einem Kader von 22 Spielern nach Berlin fahren. Vier von ihnen muß ich dann wieder streichen, weil eben nur sieben Spieler auf der Bank sitzen dürfen. Angeschlagen ist derzeit nur Jurij Maximov, aber er dürfte am Sonnabend wieder fit sein. Lody Rombiak hat in den Tests bewiesen, daß er wieder Anschluß gefunden hat.

Sie selbst haben als Spieler auch höchst unterschiedliche Erinnerungen an Berlin?

Ja, ich habe gegen 1989 Borussia Dortmund gespielt. Wir waren Favorit und haben 1:4 vergeigt. Eine ganz bittere Erfahrung. Das 2:3 gegen Kaiserslautern ein Jahr später war auch nicht erfreulicher. Bei den Pokalsiegen gegen Köln 1991 und Essen 1994 war ich dabei, habe aber nicht gespielt. Es ist für den Einzelnen sicher zunächst eine Enttäuschung, wenn man nicht zum Einsatz kommt, aber alles in allem nimmt man aus Berlin positive Erfahrungen mit, selbst wenn so eine Endspielniederlage im ersten Moment weh tut.

Beschreiben Sie ein wenig die Stimmung in Berlin.

Es ist eine einzige Feier. Fußball wird zum Fest, ganz Berlin fiebert mit. Im Stadion selbst ist eine einzigartige Atmosphäre. Für jeden Spieler ist es eine Gänsehaut-Situation, wenn man in dieses riesige ausverkaufte Stadion einläuft. Schon Tage vorher wird auf den Straßen gefeiert und das so gut wie immer ohne irgendwelche Randale. Eben ein Fest. Und zu dem wollen wir auch in diesem Jahr beitragen, indem wir den Zuschauern auch fußballerisch ein Fest anbieten. Interview: Sven Bremer