Reformkorsett

■  Der Regierungsentwurf für ein neues tschechisches Pressegesetz stößt auf Kritik

In der Tschechischen Republik bemühen sich die sozialdemokratische Regierung und das Parlament unter heftiger Kritik europäischer Institutionen um die Reform des Rechtssystems. Bereits fertig ist das Gesetz über den freien Zugang zur Information – und jetzt liegt auch ein Regierungsentwurf zum Pressegesetz vor. Doch die Fachöffentlichkeit zeigte sich von dem Papier nicht begeistert.

Die Hauptinitiatoren der Vorlage, Kultusminister Pavel Dostál und der stellvertretende Ministerpräsident Pavel Rychetsky, liefern sich einen Pressekrieg mit den Journalisten, bei dem es darum geht, ob die Schranken, die der Presse gesetzt werden sollen, europäischen Vorbildern entsprechen. So erregt die Gemüter z. B. eine Bestimmung über die Registrierung periodischer Presse, die von staatlichen Organen durchgeführt wird und bei der sich ein Verleger schon durch Fristversäumnisse hohe Geldstrafen einhandeln kann. Auch die gesetzlich verfügte Pflicht, an eine Reihe von Bibliotheken Pflichtexemplare auf eigene Kosten abzuliefern, ist eher unüblich. Nachdem aggressives Vorgehen der tschechischen Presse gegen das Privatleben des Präsidenten unlängst viel Staub aufwirbelte, ist es nicht verwunderlich, daß viel über den Schutz der privaten Sphäre und über Korrekturen unwahrer Behauptungen nachgedacht wird.

Doch gerade in diesem Bereich ist das Reformwerk zu einem Korsett geworden. Lange Paragraphen regulieren die Veröffentlichung von Entgegnungen, nachträglichen Mitteilungen und Korrekturen so, daß einige Folgeprobleme unmittelbar sichtbar werden. So entspricht die Entgegnung, bei der der Wahrheitsgehalt nicht geprüft wird, zunächst in etwa der deutschen Gegendarstellung. Die nachträgliche Mitteilung betrifft die Wiederherstellung persönlicher Ehre nach Gerichtsprozessen, die zur ehrverletzenden Berichterstattung unter der Namensnennung führten. Doch die vorgeschlagene Form einer Korrektur ginge von einer Richtigstellung unwahrer Behauptungen aus und dürfte von dem zur Veröffentlichung verpflichteten Medium nicht kommentiert werden.

In Deutschland und in einer Reihe weiterer westlicher Länder wird indes davon ausgegangen, daß der Wahrheitsgehalt der Nachricht und der Gegendarstellung zunächst nicht überprüfbar ist. Dazu dient der Rechtsweg, der nach dem tschechischen Gesetz erst recht spät eingeschaltet wird. Auch die Festlegung der Geldstrafen, die von den Verlegern in die Staatskasse eingezahlt werden sollen, ist in der Hand der Exekutive, was europäisch wahrscheinlich einmalig ist.

Die schärfste Kritik hat allerdings eine Regelung hervorgerufen, nach der das Klagerecht wegen ernster Verfehlungen, Verstößen gegen die Menschenrechte, die guten Sitten usw. Jedermannssache sind. In einem System, in dem eine Diskussion über die Ethikkommission des Journalistensyndikats oder Ombudsleute einzelner Blätter verpönt ist, würde hier ein Instrument geschaffen, bei dem an jedem Stammtisch beliebige Eingaben formuliert werden können.

Die tschechischen Gerichte – so auch die Vorwürfe der EU – funktionieren auch heute nur mit Schwierigkeiten, und ihre Entscheidungen lassen zu lange auf sich warten. Kritiker des Presserechtsentwurfs meinen, daß dieser Weg nicht funktionieren kann, weil hier eine Grundregel verletzt wurde: Eine gesetzliche Regulierung soll möglichst allgemein sein und einen breiten Raum dem gesellschaftlichen Konsens und der Interpretation der Gerichte lassen. Auch in guter Absicht sei es nicht akzeptabel, daß die Exekutive in einem überregulierten Raum so viele Rechte bekommt und die Eigenregulierung durch Strukturen der bürgerlichen Gesellschaft derart verurteilt wird, so Barbora Oswaldová, Vorsitzende der ethischen Kommission des Syndikats der Journalisten der Tschechischen Republik. Auch der Weltverband Verband der Zeitungsverleger hat am Wochenende in Zürich diesen Gesetzesentwurf verurteilt. Jaroslav onka