Ein Hamburger Kind muß gehen ...

Ohne Senatorin, aber mit Glamour: Zum letzten Mal eröffnet heute abend auf Kampnagel die „Hammoniale“. Ein Skandal oder ein Abschied in Ehren für das renommierte Frauenkunst-Festival?  ■ Von Gisela Sonnenburg

Seit 86 treffen sich im Sommer auf Hamburgs Kampnagel weibliche Künstler aus aller Welt, darunter internationale Stars, aber auch Neuentdeckungen aus allen Erdteilen. Bisher wurde das Festival der Frauen, nach Hamburgs Schutzgöttin Hammonia benannt, von der Kulturbehörde gefördert, zuletzt mit einer runden Million Mark. Europaweit ist und bleibt die Hammoniale ein einmaliges Projekt, das im Durchschnitt über 50.000 BesucherInnen jährlich anlockt.

Heute startet sie zum letzten Mal an ihrem Geburtsort. Denn die Kultursenatorin Christina Weiss und eine Konzeptkommission entschieden einstimmig, sie zugunsten einer Schärfung des „einheitlichen“ Profils Kampnagels einzusparen, ebenso wie das traditionelle Sommerfestival: „Die Strukturreform war keine Entscheidung gegen die Festivals, deren kulturelle Bedeutung und Verdienste unbestritten sind, sondern eine Entscheidung für ein zukunftsfähiges Kampnagel“, sagt Weiss, die für ihre Entscheidung viel Schelte erntete. Bei der Hammoniale-Eröffnung heute abend will sich die Senatorin von Staatsrat Behlmer vertreten lassen. Wir befragten dazu die Festival-Leiterinnen Irmgard Schleier und Isabella Vértes-Schütter.

taz: Fühlen Sie sich von der Stadt Hamburg – von der Kultursenatorin – ausgebootet?

Isabella Vértes-Schütter:Daß die Kultursenatorin der Hammoniale inmitten der Vorbereitungen für das Festival 99 – ohne Vorwarnung und ohne kulturpolitische Begründung – die öffentlichen Gelder gestrichen hat, ist nicht nur eine Tatsache, sondern auch ein Skandal. Auf eine stichhaltige Begründung warten wir übrigens noch heute.

taz: Die FAZ schrieb, die Abschaffung des Festivals sei Hamburgs „Einstieg ins Provinzielle“. Stimmen Sie dem zu?

Irmgard Schleier: Wenn man die aktuelle Hamburger Kulturpolitik verfolgt, rückt die Provinz tatsächlich täglich näher.

taz: Wie wird es weitergehen mit der Hammoniale, die ja ein örtlich gewachsenes, dennoch europaweit einmaliges, hochkarätiges Festival ist?

Irmgard Schleier: Ein ambitioniertes Festival mit hoher Publikumsakzeptanz wegzurationalisieren, zeugt weder von kultur- noch finanzpolitischem Weitblick. Das sieht man in anderen europäischen Städten offensichtlich anders. Natürlich werden wir uns weiter für unsere Ziele – Gleichberechtigung der Geschlechter, der Kulturen und der Genres – einsetzen und das in dreizehn Jahren geknüpfte Netzwerk weiter nutzen. An einem Ort, wo man unsere Arbeit, unser Festival und seine Inhalte schätzt.

taz: Was bedeutet die Abwicklung für all die Mitarbeiterinnen, die ihr Herz an das Projekt gehängt haben?

Isabella Vértes-Schütter: Eine Ohrfeige und eine herbe Enttäuschung, ist sie doch die offensichtliche Mißachtung ihres jahrelangen, oft ehrenamtlichen Engagements. Hier geht es nicht um den Verlust von Arbeitsplätzen – das Festival konnte sich fest angestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leider nie leisten – sondern um die generelle Geringschätzung.

taz: Was reizt Sie am neuen Standort Berlin, wie könnte eine ehemalige Hammoniale dort heißen und aussehen?

Irmgard Schleier: Die Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen. Wir können zu einem möglichen Standort Berlin erst Stellung nehmen, wenn er endgültig feststeht.

taz: Ist die Frauensache in Hamburg nicht mehr viel wert?

Isabella Vértes-Schütter: Leider steht es bundesweit nicht gut um die Sache der Frauen, auch wenn gewisse Quoten erfüllt sind. Künstlerinnen sind als Produzentinnen nach wie vor nur mit zehn Prozent an den Produktionen beteiligt. Daß in Hamburg auf die Abschaffung des Festivals der Frauen nicht einmal die Frauensenatorin reagiert hat, spricht für sich.