Schön nützliches Gebrauchsdeutsch

■ Maschinenbaustudenten entrümpeln Bedienungsanleitungen

Eigentlich purer Zufall, daß dieser Text hier steht. Um ihn zu schreiben, zu plazieren und letztlich gar zu drucken, mußten Menschen wie Sie und ich Computer und Maschinen in Gang setzen.

Deren Benutzung wiederum setzt das Studium von Gebrauchsanleitungen voraus. Doch lassen die uns nicht meist zurück mit einem Gefühl der Leere und Ratlosigkeit? – Eben. Wie gesagt, purer Zufall ist das alles hier. Schwein gehabt. Sollten die wackeren Studenten des Fachbereichs Maschinenbau an der FH Gelsenkirchen dereinst ein Maskottchen suchen für ihr derzeitiges Tun, dann dürfte Mike Krüger Favorit sein – des Nippels und der Lasche wegen. Denn hatte der Liedermacher vor Jahren ebenso engagiert wie hilflos ausufernde und Rätsel aufgebende Geräte-Beipackzettel gegeißelt, so ist nun eine Professorin darangegangen, Klarheit zu schaffen. Wurde auch Zeit.

„Da packt man in freudiger Erwartung das neue Telefon oder den Videorecorder aus, aber in der Betriebsanleitung stehen 17 Fremdwörter“ – und Essig ist's mit dem High-Tech-Genuß: Prof. Dr. Christine Fackiner hat offenbar üble Erfahrungen gesammelt und womöglich schon manch wichtigen Anruf und tollen Film verpaßt. Deshalb lehrt Germanistin und Lernsystem-Analytikerin Fackiner ihre Studierenden, Anleitungen so aufzubereiten, daß sie zu kapieren sind.

Schnell verlangt, schwer getan. Da stellen wir uns mal janz dumm und betrachten keine Dampfmaschine, sondern ein Reisebügeleisen. Zitat Bedienungshinweis: „Das Gerät kann eingeschaltet werden, nachdem Sie den Stecker in die Steckdose gesteckt und sich vergewissert haben, daß das Bügeleisen auf die örtliche Spannung (110-120 V oder 220-240 V) eingestellt ist. Vor dem Einschalten muß der Aufkleber auf der Bügelsohle abgezogen werden!“

Unschön formuliert, sagt uns das Sprachgefühl sowie das Team von der Gelsenkirchener Fachhochschule: Die Darstellung „folgt nicht dem Handlungsablauf“, ja, „fordert nicht aktiv zum Handeln auf“. Und Bilder gibt's auch keine, so daß niemand erfährt, wo überhaupt die Bügelsohle ist und ob sie im Schadensfall zum Installateur oder zum Schuhmacher gebracht gehört.

In den gluckernden, brodelnden und zischenden Sprachlabors des Studienfachs Technische Dokumentation wird kompliziertes Kauderwelsch eingedampft und ins Gebrauchsdeutsche übersetzt. Professorin Fackiner prophezeit ihren künftigen Absolventen gute Berufsaussichten als Technische Redakteurinnen und Redakteure – konstruiert wird ja sozusagen immer; die Frage ist: Wie verklickere ich all die tollen Finessen den noch ahnungslosen Nutzern?

Dabei ist es mit der Verständlichkeit allein nicht getan – Notrufanlagen für Seniorenwohnungen etwa sind nicht halb so hilfreich, wenn die Gebrauchsanweisung nur unterm Elektronenmikroskop lesbar ist. Obendrein kann eine wirklich an der Zielgruppe ausgerichtete Bedienungsanleitung wertvolle ästhetische Orientierung liefern. „Die Füße des Telefons sorgen für einen rutschfesten Stand. Die Beschichtung von Möbeln mit unterschiedlichen Lacken oder Möbelpflegemitteln kann die Füße ungünstig verändern, so daß sie Abdrücke auf diesen Möbeln hinterlassen könnten.“ Zettel und Broschüren sind das eine, aber Fackiner will auch neue Medien wie CD-ROM nutzen, um in bewegten Bildern anschaulich Bedienungsabläufe darzustellen. Eine solche CD-ROM läßt sich vortrefflich nachts um halb drei ins Laufwerk einlegen, nachdem einen jener Radiowecker aus dem Schlummer gerissen hat, dem zwölf Stunden zuvor partout nicht einfallen wollte, den termingefährdenden Mittagsschlaf zu beenden. Und wie wir das CD-ROM-Laufwerk ans Laufen kriegen – das krieje ma später.

Andreas Milk