■ Deutsche Soldaten haben keine Sonderrolle mehr
: Gleich, aber nicht normal

Wer vermochte je zu ahnen, daß deutsches Kriegsgerät mit solcher Emphase empfangen wird, wie die Leopard-Panzer in den Straßen von Prizren. Die jubelnden Menschen, die zu einem V- Zeichen gestreckten Finger – sie sind nicht nur Zeugen und Zeugnis der Befreiung. Sie sind zugleich Absolution für das, was vor noch nicht allzu langer Zeit als tödliche Sünde der deutschen Politik gegolten hat.

Lang ist der Weg bis zu diesem Einsatz, länger als die 45 Kilometer von Tetevo bis Prizren. Er reicht zurück in den Deutschen Bundestag, in dem Politiker aller Parteien die Lehre der Geschichte verkündeten, daß keine deutschen Soldatenstiefel jugoslawischen Boden betreten dürften. Er reicht zurück bis zu dem Verdikt der Parteitage, daß sich keine deutschen Soldaten an Kampfeinsätzen beteiligen dürfen. Er findet seinen Ausgangspunkt in dem Gründungskonsens der Republik, daß von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen dürfe, was politisch damals in eine Demilitarisierung übersetzt wurde.

All diese Prinzipien, um die jahrelang so heftig gerungen wurde, scheinen an einem Tag überrollt, doch der Rückfall in die Geschichte, den abzuwenden sie doch erhoben wurden, er findet nicht statt. Der Krieg als Realkategorie, er wirkt ernüchternd. Kein martialisches Geraune durchzieht die Gesellschaft, die Bilder aus dem Kosovo vermitteln den Eindruck von Soldaten, deren Auftreten sich auf das militärisch Notwendige beschränkt.

Alles total normal, so möchte mancher gerne seinen Schluß aus der Gleichheit der Nato-Partner ziehen. Doch auch wenn die Deutschen keine „Sonderrolle“ mehr spielen, normal ist ein solcher Einsatz deshalb noch lange nicht zu nennen. Er muß eine Ausnahme bleiben, die nicht nur, aber auch dem politisch-diplomatischen Versagen des Bündnisses geschuldet ist. Und wenn die zum Teil heftigen Kontroversen der letzten Jahre einen Sinn hatten, dann den, einzuschärfen, daß militärische Mittel tatsächlich nur eine Ultima ratio sind, mit der eben jenes Versagen nur ungenügend kompensiert werden kann. Wenn sie einen Sinn hatten, dann den, die dabei entwickelten Instrumente der Konfliktprävention in den Katalog der Maßnahmen aufzunehmen, die prioritär zur Anwendung kommen sollten.

Diese Lehren gilt es weiterhin durchzusetzen. Nicht allein für Deutschland, sondern innerhalb des Bündnisses. Denn die Einbindung in eine Bündnisstruktur ist gleichermaßen Resultat der historischen Erfahrung. Dieter Rulff