Briten wollen das Irak-Embargo probeweise aufheben

■ Ein Resolutionsentwurf für den UN-Sicherheitsrat verlangt die Wiederaufnahme strenger Abrüstungskontrollen. Zuvor muß die Ölindustrie des Landes wieder flottgemacht werden

Berlin (taz) – Die irakische Bevölkerung kann sich ein wenig Hoffnung auf Aufhebung des seit fast neun Jahren bestehenden UN-Embargos machen. Heute will der UN-Sicherheitsrat einen britisch-niederländischen Resolutionsentwurf diskutieren, der eine zeitlich befristete Aufhebung der Sanktionen vorsieht – verbunden mit neuen, strengen Abrüstungskontrollen. Großbritannien hat damit seine bisher unnachgiebe Haltung zum Thema Irak zumindest ein wenig gelockert. Von den ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates bleiben nur die USA als Vertreter einer kompromißlosen Haltung übrig. Frankreich, Rußland und China verlangen schon seit längerem eine Lockerung des nach dem irakischen Einmarsch in Kuwait 1990 verhängten Embargos.

Der britische Entwurf sieht eine Aufhebung der Sanktionen für 120 Tage vor, die quartalsweise verlängert werden kann. Zuvor soll eine Kommission eingerichtet werden, die eine Liste mit noch zu zerstörenden irakischen Massenvernichtungsmitteln erstellt. Vier Monate später soll die Kommission dann gemeinsam mit der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) dem Sicherheitsrat berichten, ob die irakischen Militärs ihren Verpflichtungen nachgekommen sind. Damit bildet der Entwurf einen Versuch, wieder internationale Waffeninspekteure im Irak einzusetzen. Bisher war dafür die UN-Sonderkommission zur Abrüstung Iraks (Unscom) zuständig. Doch seit der von den USA und Großbritannien geführten Militäraktion „Wüstenfuchs“ im vergangenen Dezember haben die UN-Inspekteure im Irak Hausverbot.

Seit zweieinhalb Jahren darf der Irak nach dem Programm „Öl für Lebensmittel“ pro Halbjahr Öl im Wert von 5,2 Milliarden US-Dollar exportieren. Der Erlös muß in Lebensmittel und Medikamente umgesetzt werden. Weil die irakische Ölindustrie seit dem Golfkrieg im Frühjahr 1991 vor sich hinrottet und der Ölpreis stark gesunken ist, ist es dem Land bisher jedoch nicht gelungen, mehr Öl als im Wert von rund drei Milliarden Dollar zu exportieren. Erst am Montag hatte UN-Generalsekretär Kofi Annan das Programm für sechs Monate verlängert. Diesmal sind auch 300 Millionen Dollar für den Erwerb dringend benötigter Ersatzteile für die Ölindustrie vorgesehen. In der vergangenen Woche hatte sich eine Gruppe internationaler Ölexperten im Irak aufgehalten. Sie sollen dem UN-Sicherheitsrat nun berichten, wie die irakischen Ölfelder und Raffinerien wieder halbwegs flottgemacht werden können. Vor zehn Tagen hatte der Generaldirektor einer staatlichen irakischen Ölfirma erklärt, man plane die vollständige Wiederherstellung der Pipeline zwischen Irak und der Türkei. Am Tag der Aufhebung des Embargos könne Irak dann wieder täglich 1,6 Millionen Barrel (ein Barrel sind 159 Liter) Öl durch die Röhren pumpen. In der Türkei lösen solche Ankündigungen Freude aus. Seit Verhängung des Irak-Embargos entgehen dem Land Milliardensummen an Transitgebühren.

Als Folge des Embargos sind nach Angaben des UN-Kinderhilfswerkes Unicef im Irak etwa eine halbe Million Kinder gestorben. Irakische Oppositionelle berichten jedoch, die Führung in Bagdad habe in einigen Fällen Ärzte angewiesen, „möglichst viele Kinderleichen zu produzieren“ um anschließend die „Verbrechen“ der Anti-Irak-Allianz geißeln zu können. UN-Generalsekretär Annan hatte im Februar starke Verzögerungen bei der Verteilung von Hilfsgütern durch die irakischen Behörden bemängelt.

Thomas Dreger