Alles brav beim alten

■ Lieber Senatsgelder als Existenzgründerkredite? Ein Seminar über die Verzweigungen von Wirtschaft und Clubkultur im WMF

Es gibt in der EU einen Geldtopf, der European Social Fund, aus dem Projekte bezahlt werden, die die Anpassung der Arbeitskraft an den industriellen Wandel beschleunigen und den Wettbewerb innerhalb der Kulturwirtschaft stimulieren sollen. Eines dieser Projekte ist ICISS (information for cultural industries support services), das von der Universität in Manchester geleitet wird. Sinn und Zweck von ICISS ist es, die Dynamik und die Bedürfnisse der Kulturwirtschaft an einzelnen Fallbeispielen in der Musikindustrie zu untersuchen, ein Netzwerk europäischer Forscher, Praktiker und Politiker aufzubauen und Seminare abzuhalten.

Eines dieser Seminare fand am Mittwoch bei schönstem Sonnenschein im ganz schön muffigen und unterbesuchten WMF statt. Berlin, Hauptstadt der Möchtegernkongresse, sei gegrüßt.

In einer ersten Runde stellten Wissenschaftler aus Barcelona, Jamtland, Dublin, Mailand und Tilburg ihre Forschungsergebnisse vor. Schöne Sichtfolien und Dias wurden gezeigt, und es wurde viel und ausgiebig palavert: Über Offenheit und Neugier, das unumgängliche Fingerspitzengefühl, das die Mittelsmänner zwischen Kultur und Wirtschaft benötigen, und die dringend nötige größere Reaktionsschnelligkeit besonders der Wirtschaft angesichts der rasanten und riskanten Veränderungen, der inoffiziellen Informationsquellen der Kulturwirtschaft, ihrer „flüchtigen, kaum greifbaren Synapsen“.

Als endlich das Berliner Fallbeispiel dran kam, stellte sich heraus, daß die Berliner StudentInnen, die an einem Seminar über „Läden, Clubs, Studios und lokale Medien“ am ICISS-assoziierten Forschungszentrum Populäre Musik der Humboldt-Universität teilgenommen hatten, schlecht vorbereitet waren. Eine Studentin las schlicht den Veranstaltungskalender der Zitty vor, um die Clubvielfalt zu demonstrieren. In Berlin, so viel war klar, mag man eben kein Kultursponsoring.

Natürlich ist Konsens, das zeigte die anschließende Diskussion, daß der Berliner Senat Kultur nur zur Imagepflege benutzt. Aber ist es deshalb wirklich wünschenswert, kleine Clubs nicht nur durch Kulturförderung zu etablieren, sondern auch noch die Wirtschaft aufzufordern, Existenzgründerkredite zu vergeben?

Es geht gar nicht mehr um die Diskussion des großen Ausverkaufs. In diesem schönen, aufgekratzten neuen Berlin soll alles brav beim alten bleiben. Mitdiskutantin Claudia Wahjudi, Autorin des Buchs „Metroloop“, vertrat zu Recht die These, daß die Clubs wegen des immer knapper werdenden billigen Raums zwangsläufig immer vitaler und flexibler werden. So bedeuten Netzwerke nichts anderes als ein willkommenes Modell für funktionierende Komunikation in überschaubareren Strukturen.

Alle haben ihre Finger überall drin. Ein Zeitschriftenherausgeber wie Sascha Kösch macht es wie alle Mehrfachjobber aus Geldnot und hat gleichzeitig eine Band, betreibt ein Label, und nachts legt er auch noch auf. Wieviel Arbeit in einen Menschen reinpaßt und wie er finanzielle Absicherung durch soziale ersetzt, das ist es, was interessiert.

Die Wirtschaft hat die Kultur längst entdeckt. Daß man mit Stella und Love Parade satt werden kann, weiß inzwischen jeder Trottel. Es geht jetzt darum, den Trend nicht zu verpennen. „Es wird nie einen Undergroundbeauftragten geben, der die Subkultur organisiert“, erkannte ein Clubbetreiber ganz spritzig.

Nur einer muß sich nun wirklich raushalten aus diesem wild wuchernden Laissez-faire unserer Neuen Mitte: Das Ordungsamt. Keine Schließung illegaler Clubs mehr! Denn das behindert den Wettbewerb. Susanne Messmer