Die Notwendigkeit, die Hoffnung zu wahren

■ Abdullah Öcalans Verteidiger Ercan Kanar über die Prozeßerklärung des PKK-Vorsitzenden und die verbliebenen Einflußmöglichkeiten der europäischen Staaten

Der Rechtsanwalt Ercan Kanar ist einer der Verteidiger des PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalans. In Hamburg hielt er sich anläßlich eines Internationalen Symposiums auf, zu dem die „Türkische Initiative zur Verteidigung des Lebens von Abdullah Öcalan“ am Freitag abend geladen hatte. Kanar beteiligte sich am Sonnabend auch an der Demonstration für das Leben Öcalans.

taz hamburg: Hat Ihnen die Demonstration Mut gemacht?

Ercan Kanar: Ich hätte noch mehr Teilnehmer erwartet.

Öcalans Prozeßerklärung Ende Mai, in der er sich der Türkei als Verhandlungspartner für eine demokratische Lösung anbot, hat für Verwirrung gesorgt. Glauben Sie, daß einige KurdInnen der Demontration ferngeblieben sind, weil sie über die politische Linie verunsichert sind?

Darüber will ich nicht spekulieren.

Wie ist die politische Erklärung Öcalans zustande gekommen? War sie mit Ihnen abgesprochen?

Seit seiner Entführung vor vier Monaten ist Abdullah Öcalan unter absoluter Isolation. Er hat seitdem keine Zeitung gelesen, keine Gespräche geführt. Unter diesen Bedingungen hat er seinen Prozeß vorbereitet. Wären die Bedingungen anders, wäre auch die Verteidigung anders. An der Substanz aber, der Friedenserklärung, hätte das nichts geändert.

Haben Sie diese zusammen vorbereitet?

Wir Anwälte dürfen Öcalan nur zwei Stunden pro Woche sehen. Wir haben nur den rechtlichen Teil zusammen vorbereitet, den Rest hat er alleine verfaßt.

Nach diesem Prozeßauftakt waren Spekulationen laut geworden, daß es eine Absprache mit der türkischen Regierung gegeben haben könnte, die Öcalan zu seinen Worten veranlaßt hat.

Es hat Gespräche mit der türkischen Regierung gegeben, das ist richtig. Aber inwieweit die Öcalans Erklärung beeinflußt haben, kann ich nicht sagen.

Mit welchem Urteil rechnen Sie?

Mit dem Todesurteil.

Trotz der Gespräche mit der türkischen Regierung?

Die politische Stimmung veranlaßt mich, das zu glauben.

Rechnet auch Öcalan mit dem Todesurteil?

Er hält es für eine Möglichkeit.

Auf der Demonstration wurde an die deutsche Regierung, die EU und die UNO appelliert, sich für das Leben Öcalans einzusetzen. Kann das noch etwas bringen?

Diese Hoffnung muß man wahren.

Fragen: Elke Spanner

Übersetzung: Hamide Scheer