„Ich bin ein Kölsch“

■ Und Bill Clinton sprach am Vorabend des Gipfels:

Der Wallfahrtsort Köln wurde zugepilgert wie zu seinen Bestzeiten im Mittelalter, nachdem Erzbischof Rainald vor 800 Jahren die aus Mailand geklauten Knochen der Heiligen Drei Könige in die Großvitrine Kölner Dom gestellt und mit dieser Attraktion Köln zum Wirtschaftszentrum gemacht hatte. Allerdings gab's einen Unterschied: Damals kamen die Armen und Schwachen in Scharen, und die Wirte haben sie gemolken und sich an ihnen gemästet, hier aber trafen sich ein paar Vertreter der Reichsten und Mächtigen, und unter den tausend Absperrungen litten schon beim EU-Gipfel die Geschäfte der Wirte und Händler. Doch weil das Rad, das am lautesten quietscht, immer das meiste Öl bekommt, hatte man auf das Meckern des Handels und Ausschanks hin die kölsche Lösung gefunden: Die 3.000 Gipfel-Journalisten bekamen vom Bundespresseamt großzügige Schleck- und Schluck-Abos für die Kölner Altstadtkneipen, und deshalb klingelten auch dort wieder die Kassen.

„Ich bin ein Kölsch“, sagte Clinton. Origineller und knapper kann man den Gipfel nicht auf den Punkt bringen, und so was geht auch nur in Köln, bekanntlich der einzigen Stadt, in der man spricht, was man trinkt, und umgekehrt und sich an dem verschluckt, was man verspricht, bis man so berauscht ist, daß man sich an kein Versprechen mehr erinnern braucht. Das heißt in Köln Klüngel und funktioniert im globalen Dorf auch nicht anders. Deswegen ist es ein Glücksfall für den Weltwirtschaftsgipfel, daß er noch vor Ende des Jahrtausends in Köln stattfand. Aber worum ging es überhaupt beim Gipfel? Wenn Männer in Maßanzügen in schweren Limousinen am Treffpunkt vorfahren, der von Schwerstbewaffneten geschützt und abgeriegelt wird, handelt es sich im Regelfall um Freunde der italienischen Oper, also Mafia-Paten, denen die Geschäfte aus dem Ruder laufen und die darüber Ratschlag halten. Da lebt man von Einnahmen anderer, aber nun ist Sand im Getriebe, weil eine der Familien 95 Prozent vom Verdienst der ausgepreßten Wirte verlangt, damit doch zu hart zulangt und eine den Geschäften ganz abträgliche Stimmung schafft.

Miese Story mit überzogenem Einfall, würde man sagen, Film kann nur Flop werden.

Köln war die Location für dasselbe Handlungsschema. Da wollten acht G-Punkte durch einen epochalen Beschluß zum Gipfel kommen. Den ärmsten Opfern sollen 50 Prozent der Abgaben erlassen werden. Damit brauchen die erpreßten Wirtschaften von ihren Einnahmen, also den Exportverdiensten, nur noch 150 Prozent abzuzahlen.

150 Prozent nur noch! Wenn das nicht spitze ist! Das muß man sich mal in aller Ruhe auf dem Taschenrechner zergehen lassen: Nur noch 150 Prozent der Einnahmen brauchen abgeführt werden! Aber in den Genuß dieser Großzügigkeit kommen nur die Wirtschaften, die drei Jahre lang gezeigt haben, daß sie mit ihrem Personal auch unanständig umgehen können und es an das Leben unterm Lebensminimum gewöhnt haben. Das ist normalerweise wirklich der Gipfel des Schwachsinns und kann im Kino höchstens als Klamotte Kasse machen. In der Wirklichkeit werden solche Leute ganz schnell abgeholt. Aber eben nicht in Köln, wo die Irren nicht eingeliefert werden, sondern als Jecken Freigang haben, Vereine bilden und in geordneten Gruppen und Zügen herumlaufen, um sich von anderen begaffen und beklatschen zu lassen.

Denn in Köln gibt es für die wesentlichen Problemlagen Regelungen der besonderen Art. Das berühmte „Kölnisch Wasser“ für faulige Gerüche und die berüchtigte „Lösung auf Kölsch“ für Geschäfte, die faul sind. Dazu gehört natürlich der Kölner Dom, in dem die Regierungschefs am Sonntag früh Absolution für ihre Schweinereien bekamen. Sie wurden von Joachim Kardinal Meisner gesegnet, dem Daumen Gottes, der vor keiner Wahrheit zurückschreckt. Für die brutale Entscheidung des Papstes gegen die kirchliche Schwangerschaftsberatung hat Meisner bereits in einem Gebet um Verständnis geworben, das die lokale Boulevardzeitung Express im Vorfeld veröffentlichte. Da hieß es in christlicher Demut, daß der Hl. Vater unsere Fürbitte braucht, weil er sich oft übernimmt und über seine Kräfte geht, „auch über seine körperlichen“. So wird der Kardinal auch für die G-8-Chefs um Vergebung gebeten haben, die mit dem Abschlußkommuniqué zum Schuldenschwachsinn den Gipfel unserer geistigen Kräfte übersteigen. Und als Trost bleibt Kölsch. Heinrich Pachl

So was versteht man auch nur in Köln, bekanntlich der einzigen Stadt, in der man spricht, was man trinkt, und umgekehrt